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Ein Tag, zwei Leben

Ein Tag, zwei Leben

Titel: Ein Tag, zwei Leben Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jessica Shirvington
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Französisch. Mademoiselle Moreau schien zu akzeptieren, dass sich diese Woche niemand wirklich auf den Unterricht konzentrierte. Im Grunde war die Schule beendet. In dieser letzten Woche ging es eher darum, Empfehlungen von Lehrern einzusammeln, die Jahrbücher unterschreiben zu lassen und sich auf die Abschlussfeier vorzubereiten. Sie bat uns darum, die Bücher wegzupacken, und fragte einfach jeden von uns nacheinander, was wir in den Ferien machen wollten und was unsere Pläne für das kommende Jahr waren. Wenn sie wüsste, was für eine komplizierte Frage das war.
    Glücklicherweise fing sie auf der anderen Seite des Raums an, und ich wusste, es war unwahrscheinlich, dass sie bis zu mir kam. Für alle Fälle kritzelte ich ein paar Punkte auf ein Blatt. Dabei wanderten meine Gedanken zurück zur Nacht zuvor – zu Ethan, der lächelte und Witze darüber machte, dass ich zurückkommen und Deutsch sprechen würde. Anstatt eine Zukunft zusammenzufassen, von der ich nicht einmal sicher war, dass ich sie haben würde, kritzelte ich plötzlich etwas ganz anderes.
    Mein Name ist Sabine. Ich lebe in zwei Welten. Ich will, dass Ethan mir glaubt.
    Ich hoffte, ich hatte das richtig in Erinnerung. Aber ich war mir sicher, dass das im Wesentlichen das war, was er gesagt hatte. Als es klingelte und alle hinausgingen und » Au revoir, Mademoiselle Moreau!« sagten, ging ich nach vorne zum Lehrerpult.
    » Entschuldigen Sie bitte, Mademoiselle, könnten Sie mir vielleicht ein paar Tipps geben, wie ich an eine Übersetzung ins Deutsche komme?«
    Mademoiselle Moreau blickte von ihren Papieren auf. » Parler en français, Sabine.«
    » Je suis désolée«, entschuldigte ich mich, dann wiederholte ich meine Frage auf Französisch.
    Sie schüttelte den Kopf. » Je ne sais que comment me présenter en Allemand«, sagte sie – sie wisse nur, wie man sich auf Deutsch vorstellt.
    Ich holte einen Stift heraus und schrieb ihre Übersetzung auf: Ich heiße Sabine.
    » Merci beaucoup, Mademoiselle«, sagte ich und ging zur Tür.
    » Sabine!«, rief sie mir nach.
    Ich drehte mich zu ihr um.
    » Im Internet gibt es jede Menge Übersetzungswebsites, aber sie sind nicht besonders zuverlässig. In der Bibliothek gibt es ein gutes Übersetzungswörterbuch für Deutsch.«
    » Oui, merci«, sagte ich, weil ich es nicht wagte, auf Englisch zu antworten.
    Ich eilte durch die Flure, erpicht darauf, meine Tasche zu holen und direkt in die Bibliothek zu gehen. Miriam und Lucy warteten bei den Spinden auf mich.
    » Hey, wir gehen ins Einkaufszentrum. Kommst du mit?«, fragte Miriam, während Brett sich von hinten an sie schmiegte. Aus irgendwelchen Gründen ging mir die Ungezwungenheit ihres Umgangs miteinander heute auf die Nerven.
    » Ah, nein«, sagte ich und tat so, als wäre ich enttäuscht. » Ich treffe mich mit Mom auf einen Kaffee.« Und für den Fall, dass sie mich überreden wollten, lächelte ich und fügte hinzu: » Vielleicht hinterher.«
    » Lass mich raten – womöglich willst du auch noch zu deiner Kaffeeverabredung gefahren werden?«, bot sie an.
    Rasch rechnete ich. Bestimmt konnte ich mit Mom Kaffee trinken gehen und es trotzdem in die Bibliothek in der Stadt schaffen, bevor sie zumachte.
    Ich warf Miriam einen kleinlauten Blick zu und sie verdrehte die Augen. » Na los, komm schon.«
    Sala’s Patisserie war das beste Café in ganz Wellesley – es war berühmt für seinen Nachmittagstee. Als ich eintrat, saß Mom schon an einem der Tische, vor ihr ein mehrstöckiger Tortenständer mit Mini-Sandwiches und feinem Gebäck. Mein Magen knurrte, ich war trotz meines Mittagessens aus Nudelsalat noch hungrig.
    Ich nahm Platz, bestellte mir einen Mokka und überließ Mom das Reden – was genau das war, was sie wollte; nur hin und wieder unterbrach sie sich, um sich genussvoll ein Häppchen von den Mini-Éclairs und Törtchen in den Mund zu schieben, nachdem sie sie auseinandergenommen und in jeder Hinsicht kommentiert hatte. Ich für meinen Teil stopfte die viel zu kleinen Sandwiches und das, was vom Gebäck noch übrig war, in mich hinein und versuchte, meine wirren Gedanken zu ordnen.
    Zum ersten Mal überhaupt würde ich versuchen, es tatsächlich zu beweisen – dass ich in zwei Welten lebte. Es hatte immer Gründe gegeben – und zwar gute – es geheim zu halten, aber die galten nicht mehr. Nicht auf dieselbe Weise.
    Die Minuten verstrichen und ich wurde immer entschlossener. Ethan glaubte mir nicht. Er wollte mir nicht glauben. Doch

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