Ein Tag, zwei Leben
Familie gehen? Niemals jemandem sagen, wer ich wirklich bin? Zwei unterschiedliche Menschen lieben ?«
Ethan wälzte sich auf die Seite und sah mir in die Augen, wobei er mir zärtlich die Tränen abwischte, die mir über die Wangen rollten.
» Ich weiß es nicht. Nein. Wahrscheinlich nicht. Wenn man einen Menschen liebt, dann liebt man ihn ganz und gar, sonst ergibt es keinen Sinn. Andererseits …« Er verstummte.
» Andererseits was ?«, schoss ich zurück.
» Du bist doch diejenige, die glaubt, dass der einzig gangbare Weg mit jemandem, den du nicht länger als zehn Sekunden küssen kannst, darin besteht, Pläne zu machen, wie du es ausdrückst.«
Ich schüttelte den Kopf über ihn, konnte aber nichts entgegnen. Warum kümmerte ihn das überhaupt so sehr?
» Vielleicht kannst du denselben Menschen in beiden Leben finden«, schlug er vor, doch er schien meine Traurigkeit jetzt zu teilen.
» Das ist unwahrscheinlich, Ethan. Und außerdem: Selbst wenn ich ihn fände, gäbe es keine Garantie, dass er auch wirklich derselbe wäre oder … argh!« Es war unmöglich zu erklären.
Nachdenklich biss er sich auf die Lippen und ich konnte mich nicht beherrschen – ich musste ihn einfach anstarren, als seine Lippe langsam wieder unter seinen Zähnen hervorrutschte.
» Sabine, hast du mich dort jemals gesehen?«, fragte er zögernd.
» Nein.«
» Hab ich mir schon gedacht.«
» Warum sagst du das?«
Er zuckte mit den Achseln, während er mich weiterhin aufmerksam ansah. » Ich glaube, ich wüsste es, wenn ich dich schon mal gesehen hätte. Ich meine, in gewisser Weise, selbst wenn ich mich nicht mehr ganz genau erinnerte, würde es ein Teil von mir, vermutlich meine Seele, tief im Inneren wissen.«
» Vielleicht.«
» Du bist eben ziemlich nervig. So etwas behält man im Gedächtnis«, sagte er grinsend.
» Dann bin ich dir in meinem anderen Leben ganz sicher nicht begegnet.«
Er lachte, bevor er sich wieder neben mich legte; wir sahen beide den Weidenzweigen zu, die in der leichten Brise vor der Morgendämmerung hin und her schwankten.
» Sabine?«, sagte er leise.
» Hmm.«
» Die Entscheidung, über die du nachdenkst … Hast du sie schon getroffen?«
Die Frage brachte mich aus dem Konzept. Ich dachte eigentlich, dass ich sie getroffen hätte. Aber das zu Ethan zu sagen, fühlte sich irgendwie falsch an. Ich konnte ihm nicht erklären, dass dies meine einzige Chance war, das Leben zu führen, das ich immer wollte. Es könnte die einzige Chance sein, wirklich zu leben.
Ich seufzte. » Ethan, nicht.«
» Das heißt also ja.« Nun war es an ihm zu seufzen. » Wird das nicht schwer, alle zu verlassen? Deine Familie, Maddie, Capri? Willst du nicht für sie da sein – als Teil ihrer Zukunft?«
Ich setzte mich auf, ohne ihn anzuschauen. » Du hast dich selbst nicht mit auf diese Liste gesetzt.«
Schnell setzte er sich auf, packte mich an den Schultern und drehte mich zu sich. » Jetzt hör mir mal zu. Hier geht es nicht um mich! Das ist eine Entscheidung, die du für dich treffen musst. Es spielt keine Rolle, wie sehr ich … Es muss um andere Dinge gehen. Nicht um mich, Sabine. Nicht ich.«
Ich schrak zurück und entzog mich seinem Griff. Ich war so schockiert, dass ich einfach nur wie erstarrt dasaß. So verletzt. Ungeheuer beschämt.
Endlich, als keiner von uns mehr etwas sagte, stand ich auf. » Die Sonne geht bald auf. Du solltest mich zurückbringen.« Ich ging in Richtung Auto, damit er mein Gesicht nicht sehen konnte.
Als wir zurück in meinem Zimmer waren, ging ich schnurstracks ins Bad, um mich umzuziehen. Ich konnte nicht glauben, dass ich mich so lächerlich gemacht hatte. Da hatte ich mich also jede Nacht mit Ethan fortgeschlichen, hatte gedacht, dass da vielleicht etwas zwischen uns war, etwas mehr, als ich überhaupt zu hoffen gewagt hatte … Da war aber nichts. Er wollte nicht Teil meiner Welt sein. Nicht ich, hatte er gesagt. Er wollte nicht mal in Betracht gezogen werden.
Ich hatte zugelassen, dass ich mich in etwas verrannte.
Ich starrte mein Spiegelbild im Badezimmerspiegel an, wütend auf mich selbst, weil ich mir eine solche Entgleisung geleistet hatte. Wenn ich mich mehr auf das konzentriert hätte, was ich hätte tun sollen, dann wäre jetzt vielleicht schon alles erledigt. Statt mich auf Ethan zu konzentrieren, hätte ich mich besser an meinen Plan halten sollen. Ich hatte noch immer keine Ahnung, wie ich es anstellen sollte, dass das alles funktionierte.
» Vor allem,
Weitere Kostenlose Bücher