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Ein Tag, zwei Leben

Ein Tag, zwei Leben

Titel: Ein Tag, zwei Leben Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jessica Shirvington
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sagen?« Miriam klatschte aufgeregt in die Hände. » Dann ist also alles organisiert!«
    Ich nickte.
    Später, als wir darauf warteten, bis mein Kleid eingepackt war, wandte sich Miriam zu mir um. » Ist alles in Ordnung, Sabine? Du wirkst ein wenig … durch den Wind.«
    Ich konzentrierte mich darauf, meinen Geldbeutel umzuordnen. » Ja. Ich bin nur … ich weiß nicht … nervös oder so.«
    Sie musterte mich einen Moment lang. Ich erwartete, dass sie einen Witz reißen würde, stattdessen warf sie ihr perfekt gestyltes Haar zurück und sah mich ernst an. » Wenn du nicht bereit bist, dann würde ich es an deiner Stelle lassen. Denn wenn du dich erst mal dafür entschieden hast, verändert sich alles.« Sie seufzte. » Versteh mich nicht falsch, ich liebe Brett und ich bin froh, dass wir … du weißt schon, aber wenn ich die Zeit zurückdrehen könnte, hätte ich ein wenig länger gewartet. Das erste Mal kann ein wenig … unangenehm sein.«
    » Wow. Ich hätte nie gedacht, dass ich dich das mal würde sagen hören.«
    Sie stieß mich an der Schulter an. » Und ich werde es kein zweites Mal zugeben! Aber wenn du nicht hundertprozentig sicher bist, dann solltest du vielleicht einfach noch mal mit Dex reden.«
    Ich biss mir auf die Lippe. » Ich glaube nicht, dass ich das kann.«
    Sie warf mir einen weiteren langen Blick zu, während die Verkäuferin mir das Kleid reichte, und dann waren wir draußen auf der Straße.
    » Sabine, ist sonst noch etwas?«, fragte Miriam schließlich.
    Ich wurde blass. » Nein. Warum? Wie kommst du darauf?«
    Sie sah mich mit hochgezogenen Augenbrauen an. » Ich weiß nicht. Es ist nur … du schienst so bereit und jetzt wirkst du so unsicher, und Dex hat mich neulich gefragt, ob ich dich mit einem anderen hätte herumhängen sehen. Ich kann mir nicht helfen, aber ich frage mich, ob du jemanden kennengelernt hast, der deine Meinung geändert hat.«
    Ich dachte an Ethan. Den abwesenden Ethan. Seine Worte. Nicht ich.
    » Nein, da gibt es niemanden.« Nur in meiner hyperaktiven Fantasie. Und in Dex’. Ich konnte nicht fassen, dass er Erkundigungen über mich eingezogen hatte. » Wie ich schon sagte, bin ich einfach nur nervös. Dex und ich haben lang genug gewartet.« Ich schaute auf die Schachtel mit dem Kleid hinunter. Als ich dann Miriam wieder anblickte, lächelte ich. » Ohrringe?«
    Sie erwiderte mein Lächeln. » Unbedingt.«
    Mich am Samstag auf den Wechsel nach Roxbury vorzubereiten war schrecklich. Zum ersten Mal, seit ich in die Klinik eingeliefert worden war, würde ich zurück in ein leeres Zimmer wechseln. Und die Tatsache, wo dieses Zimmer war – auf der Station für » affektive Störungen«, was nur ein politisch korrekter Ausdruck für » Irrenanstalt« war –, fühlte sich härter an denn je.
    Als ich den Wechsel vollzog, begleitete mich das Gefühl der Einsamkeit. Nach meinem üblichen Spurt zur Toilette legte ich mich ins Bett und versuchte, den Sonntagmorgen zu verschlafen. Pure Erschöpfung trug dazu bei, meine aufgewühlten Gedanken zu beruhigen, und bestimmt hätte ich den ganzen Tag durchgeschlafen, wenn ich nicht Besuch bekommen hätte.
    Dad saß in dem Sessel, in dem normalerweise Ethan saß, und fummelte verlegen an den Armlehnen herum.
    » Wie laufen deine Sitzungen mit Dr. Levi?«
    Ich saß am Fußende meines Bettes und fühlte mich nackt und verletzlich. Ich war nicht mehr seine Tochter, sondern fiel in die Kategorie » Patientin«. Meine ganze Beziehung zu meinen Eltern hatte sich für immer verändert. Das Seltsame war – als ich meinen Vater ansah, merkte ich, dass er fast so erschöpft aussah, wie ich mich fühlte. Ich fragte mich, ob seine Besuche in der Kneipe um die Ecke häufiger geworden waren.
    Ich beschloss, ihm die Friedenspfeife anzubieten. » Sie sind ganz in Ordnung. Ich hatte heute schon eine. Er scheint zu glauben, dass ich Medikamente brauche. Dass es an einem chemischen Ungleichgewicht liegen könnte oder so.« Was totaler Blödsinn war.
    Mein Vater stieß einen bebenden Seufzer aus. » Das ist gut, das ist gut, Sabine. Ich glaube, dass Dr. Levi wirklich weiß, was er tut.«
    Ich verbesserte ihn nicht – erklärte ihm nicht, dass Dr. Levi keine Ahnung hatte, was er tun sollte, dass ich keine Durchschnittspatientin war.
    » Ich weiß, dass du mich jetzt hasst. Ich weiß, dass du glaubst, wir hätten dich im Stich gelassen, aber wir wollen dich einfach wieder zurück.« Er fuhr sich mit der Hand durch die Haare und rang nach Worten. »

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