Ein Tag, zwei Leben
dass er nicht zu mir zurückkommen würde.
Weil er mir das nicht antun würde.
Wo war er? Etwas war schiefgegangen.
Wussten sie über uns Bescheid? Hatte er Schwierigkeiten bekommen?
Ich dachte daran, den Schlüssel zu benutzen, um auszubrechen und ihn zu suchen. Aber wohin sollte ich gehen? Ich wusste nicht einmal, wo er wohnte. Und wenn ich erwischt würde und sie den Schlüssel fanden, würden sie ihm die Schuld geben, das wusste ich. Das wollte ich nicht riskieren.
Panisch sah ich mich im Zimmer um; mein Blick fiel auf die batteriebetriebene Uhr. Die Zeit!
Shit.
Ich saß auf dem Bett, während sich der Minutenzeiger Mitternacht näherte.
Ich hatte mich für das Leben entschieden. Jetzt würde ich sterben. Und der einzige Mensch, mit dem ich zusammen sein wollte, war verschwunden.
Ich schloss die Augen und knirschte mit den Zähnen. Ich tat alles in diesen letzten Minuten, um meinen Anker zu finden. Aber ich wusste ohne jeglichen Zweifel, dass das Ethan war.
Tief durchatmen. Ich schaffe das, redete ich mir ein. Wenn schon nicht ich diejenige wäre, die diese Entscheidung trifft, wäre ich verdammt, wenn ich sie jemand anderes treffen lassen würde.
Ganz egal, was passierte, ich würde zurückkommen. Zu meinem Leben hier, meiner Familie, meinen Freunden, meiner Zukunft.
Zu Ethan.
27 – Wellesley, Dienstag
Zuerst spürte ich, wie sich mein Körper verkrampfte, dann fühlte ich den schneidenden Schmerz der rohen Gewalt hinter Dex’ Schlag in meinem Wangenknochen. Dann rückte der Rest der Szene ins Blickfeld. Dex auf mir, sein Gewicht schwer und klobig, das Zimmer, das weiße Bett, die halb offene Tür, die leere Champagnerflasche ein paar Zentimeter entfernt. Nicht mehr lange und ich würde das Bewusstsein verlieren. Wenn ich ihn aufhalten wollte, dann musste ich das jetzt tun.
» Dex, bitte! Es … tut mir leid, dass ich dich verletzt habe!«
Er schlug mir mit dem Handrücken ins Gesicht. » Nicht ich werde hier verletzt, Babe.«
Wieder holte er aus. Ich sammelte meine letzten Kräfte, um ihn wegzustoßen und aus dem Gleichgewicht zu bringen. Die Tatsache, dass er betrunken war, half mir, und er fiel nach hinten. Ich konnte durch meine geschwollenen Augen kaum etwas sehen, aber ich versuchte, mich zu bewegen, von ihm wegzukommen.
Es war nutzlos.
Meine Rippen brüllten auf vor Schmerz, und alles, was ich tun konnte, war, mich auf die Seite zu wälzen und mir die Arme um die Taille zu schlingen. » Dex … bitte, du bist nicht du selbst! Du bist … ein guter Kerl«, flehte ich.
Aber er hörte nicht auf mich – das konnte er nicht. Er war auf die Füße gesprungen und stand jetzt schwankend über mir. Er landete einen weiteren Treffer in meinem Magen, der so heftig war, dass ich ganz schlaff wurde, und ihm die Gelegenheit gab, mich wieder ganz auf den Rücken zu wälzen, damit er sich wieder rittlings auf mich setzen konnte.
» Du gehörst mir! Kein anderer wird dich haben!«, brüllte er und beugte sich über mich. Ich schloss die Augen, jeder Atemzug war schwieriger als der vorhergegangene, und ich drohte das Bewusstsein zu verlieren. Ich wartete auf den nächsten Schlag. Ich hoffte, es wäre bald vorbei.
Doch er kam nicht. Stattdessen wurde Dex’ Gewicht von mir heruntergerissen, und ich schlug rechtzeitig die Augen auf, um zu sehen, wie Ryan Dex gegen die Wand schleuderte. Dex sank ungelenk zu Boden.
Ryan warf einen einzigen Blick auf mich und hatte schon das Handy am Ohr. Er kauerte sich neben mich. » Sabine? Kannst du mich hören?«
Ich nickte schwach.
» Ja, hi, ich brauche einen Krankenwagen ins Liberty-Hotel, Zimmer achthundertsechzehn … Ja, meine Schwester, sie wurde heftig verprügelt … ich weiß nicht … Beeilen Sie sich einfach! Und rufen Sie die Cops!« Er ließ das Handy fallen und ergriff meine Hand, die wahrscheinlich der einzige Teil von mir war, der nicht vor Schmerzen schrie.
» Sabine? Du musst wach bleiben, okay?«
Alles, was ich wollte, war, die Augen zu schließen, aber ich versuchte es. Ich hatte mir selbst ein Versprechen gegeben.
» Wo bist du verletzt?«
Ich strengte mich an zu sprechen. » Rippen, Gesicht.«
Er nickte und gab mir damit zu verstehen, dass ich aufhören konnte zu sprechen; dann sah er Dex an, der sich auf alle viere wälzte. Ryan zögerte keine Sekunde, sondern schritt durch das Zimmer und zog ihn am Kragen hoch. » Du Scheißkerl!« Er schlug Dex mit der Faust ins Gesicht. Dex war sofort bewusstlos.
Dann eilte Ryan wieder an meine
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