Ein Tag, zwei Leben
ließ die Schultern sinken. » Oh, ja.«
» Sie ist im Aufenthaltsraum für Patienten. Ich kann ihr sagen, dass sie hierherkommen soll, wenn dir das lieber ist«, sagte sie und starrte zu Boden.
» Nein, schon gut. Ich gehe hin.«
Macie nickte und ging hinaus, damit ich mich anziehen konnte.
Rasch zog ich einen Minirock und ein T-Shirt an und nahm mir vor, ein paar neue Klamotten kaufen zu gehen, sobald ich hier raus wäre. Ich wusste, es würde eine Weile dauern, bis ich alle davon überzeugt hätte, dass ich genesen war, aber das hatte ich vor. Ethan kannte die Wahrheit, und das war alles, was ich brauchte. Was alle anderen in meinem Leben betraf … wahrscheinlich war es einfacher für sie, wenn sie das alles gar nicht so genau wussten. Es würde Zeit brauchen – und wahrscheinlich jede Menge Gespräche mit Levi –, um die Leute davon zu überzeugen, dass ich von wie auch immer gearteten Wahnvorstellungen geheilt wäre. Ich war mir nicht sicher, ob ich besser wieder so tun sollte, als könnte ich gar kein Französisch. Bestimmt würde Ethan mir dabei helfen, das alles herauszufinden.
Und ich hatte vor, ihm auch zu helfen.
Was immer er glaubte, mir nicht sagen zu können – jetzt war es an der Zeit, es mir anzuvertrauen. Ich hatte meine Entscheidung gefällt – genau, wie ich es seiner Meinung nach hatte tun sollen –, und jetzt gab es keinen Grund mehr, sein Geheimnis für sich zu behalten.
Denise saß auf einem der halb in sich zusammengesunkenen Sofas. Als ich hereinkam, stand sie auf und zog mich in eine warmherzige Umarmung.
» Wie geht es dir?«
» Eigentlich ganz gut«, gab ich zu. » Zuerst war ich nicht damit einverstanden, dass Mom und Dad mich hierher schickten, aber ich glaube, letztendlich war es genau das, was ich gebraucht habe.« Immerhin hatte mich das zu Ethan gebracht.
Sie nickte ermutigt. » Das ist großartig, Kleines. Ich habe mich so schrecklich gefühlt, als ich deinen Eltern wegen der fehlenden Bestände Bescheid sagen musste.« Sie senkte den Blick und ich nahm ihre Hand in meine.
» Denise, entschuldige dich nicht dafür, dass du dir Sorgen gemacht hast. Es war dumm von mir und ich hätte es niemals tun sollen.«
Daraufhin seufzte sie vor Erleichterung. » Dann erzähl mir mal von dieser Klinik hier.«
Ich machte es mir neben ihr bequem und lächelte. » Na ja, es ist wie im Gefängnis und ein paar der Pfleger hassen mich.«
» Lass mich raten – du warst wohl anfangs nicht besonders kooperativ?«
Ich lachte. » Irgendwie nicht. Aber Levi ist in Ordnung …«
Sie unterbrach mich. » Levi?«
Ich verdrehte die Augen. » Doktor Levi. Mit ihm habe ich die meisten Sitzungen.«
Sie nickte. » Dr. Levi ist ein höchst angesehener Psychologe. Ich bin ihm beim Hereinkommen begegnet – er hat ein paar harte Tage hinter sich.«
Jetzt lächelte ich, weil ich zu einem interessanteren Thema kommen wollte. » Und abends hilft dann immer Ethan aus.«
Nervös senkte sie den Blick.
» Denise, ist alles in Ordnung?«
» Ja, Liebes. Ich … hast du viel Zeit mit Ethan verbracht?«, fragte sie.
Ich schluckte, weil ich nicht wollte, dass er Schwierigkeiten bekam. » Ja. Er, ähm … er war mir eine große Hilfe. Ich schätze mal, dass mir durch ihn erst klar wurde, dass ich selbst dafür sorgen muss, dass es mir bald wieder besser geht.«
» Sabine, hat dir Ethan viel von sich erzählt? Ich meine, hat er dir gesagt …?« Sie schien nicht mehr weiterzuwissen.
Ich sah sie verständnislos an. » Was? Was soll er mir gesagt haben?«
» Er … ich … Oh, Sabine. Vielleicht sollten wir Dr. Levi holen, um das zu erklären. Warte mal.« Sie stand auf und ging rasch hinaus.
Ich saß da und wartete, wobei ich mich fragte, was das ganze Tamtam sollte. Wussten sie über Ethan und mich Bescheid? Wir waren nie dabei erwischt worden, wie wir uns hinausgeschlichen hatten, hatten nie etwas verraten und nie hatte uns jemand zusammen gesehen. Ich wusste, dass Ethan es niemandem erzählen würde, und das nicht nur um mich zu schützen.
Als Dr. Levi mit Denise hereinkam, bemerkte ich, dass er noch immer normale Kleidung anhatte und ungewöhnlich unordentlich und unrasiert aussah.
» Sabine, hallo. Wie geht es dir heute?«, fragte Levi und setzte sich gegenüber von mir an den niedrigen Couchtisch.
» Gut. Prima sogar. Was ist los?«, fragte ich rasch und sah von einem zum anderen.
» Ich … ich fürchte, wir …«
Fing er etwa gleich an zu heulen?
» Sabine, ich weiß, du hast Ethan sehr
Weitere Kostenlose Bücher