Ein Totenhemd fur einen Erzbischof
reizvoll wirkte. Abt Puttoc musterte sie eindringlich – wie eine Katze, die ihre Beute beobachtet, ehe sie zum Sprung ansetzt.
«Wie ich höre, wollt Ihr mir Fragen stellen, Fidelma von Kildare», sagte der Abt mit wohltönender Stimme, der jedoch jede Wärme fehlte. Bruder Eadulf würdigte er keines Blickes. «Der jetzige Zeitpunkt scheint mir dazu bestens geeignet.»
Er bückte sich und trat in Eadulfs Kammer. Mit seiner hochgewachsenen Gestalt überragte er sie alle. Erst jetzt sahen sie den zweiten, vergleichsweise kleinen Mann, der hinter ihm stand: Eanred, Puttocs scriptor und Diener. Er wirkte ruhig und sanft – ein Mann, der in einer Menschenmenge leicht unterging, da er bescheiden auftrat und nicht besonders einprägsame Gesichtszüge besaß. Fidelma erschien er wie Abt Puttocs treuer Schatten.
Fidelma runzelte die Stirn. Puttocs Hochmut und die Einstellung, jeder müsse nach seiner Pfeife tanzen, mißfielen ihr.
«Ich wollte Euch später rufen lassen, Puttoc …», begann sie, aber der Abt wischte ihren Einwand mit einer ungeduldigen Handbewegung beiseite. «Wir werden die Angelegenheit gleich an Ort und Stelle regeln, denn später habe ich zu tun. Ich habe eine Verabredung mit Bischof Gelasius.»
Während Eanred, die Hände in die Ärmel seiner Kutte geschoben, artig an der Tür stehenblieb, nahm Puttoc ungefragt auf Eadulfs Schlafstätte Platz und sah sie mit seinen eisblauen Augen herausfordernd an.
«Nun, Schwester, was sind das für Fragen, die Ihr mir angeblich so dringend stellen müßt?»
Fidelma sah Eadulf an. Der sächsische Mönch hatte offenbar Mühe, seine Belustigung über Puttocs anmaßende Art zu unterdrücken. Unter Fidelmas strengen Blicken jedoch beherrschte er sich und setzte eine ernste Miene auf. Er wußte, was die Zornesfalten um Fidelmas Mund bedeuten konnten.
«Sprecht endlich!» befahl Puttoc, der von der Verärgerung, die sein Auftritt auslöste, nichts zu bemerken schien. «Meine Zeit ist kostbar.»
«Das gleiche gilt für unsere Zeit, Puttoc von Northumbrien», entgegnete Fidelma kühl und schluckte die sehr viel gereiztere Antwort hinunter, die ihr auf der Zunge lag.
Der dunkelhäutige Abt zwang sich zu einem verkniffenen Lächeln, das ihn noch finsterer erscheinen ließ.
«Das will ich bezweifeln», sagte er, ohne auf Fidelmas Mißmut zu achten. «Jetzt, da Wighard tot ist, muß ich das Ruder in die Hand nehmen. Es ist völlig klar, daß wir nicht ohne neuen Erzbischof nach Canterbury zurückkehren können, und wer von uns Sachsen ist sonst schon geeignet dafür, den Segen des Heiligen Vaters zu empfangen?»
Fidelma sah den selbstgefälligen, großen Mann voller Erstaunen an. «Ihr seid an Wighards Stelle zum Erzbischof berufen worden?» fragte sie. «Ich bin sicher, Bruder Eadulf hätte mir davon erzählt.»
«Ich weiß nichts …», begann Eadulf, aber Puttoc ließ sich nicht aus der Fassung bringen, sondern lächelte selbstzufrieden. «Natürlich muß ich dem Heiligen Vater meine Gründe noch erläutern, aber die Entscheidung liegt doch wohl auf der Hand.»
Eadulfs Miene verdüsterte sich. «Aber Wighard wurde zum Nachfolger Deusdedits gewählt …»
Die eisblauen Augen richteten sich auf Eadulf. Sie wirkten kälter denn je. «Und Wighard ist tot. Wer sonst, der hier in Rom weilt, wäre geeignet, seinen Platz einzunehmen? Nennt mir diesen Mann!»
Eadulf schluckte. Ihm fehlten die Worte.
Triumphierend wandte sich der Abt wieder an Fidelma. «Eure Fragen, Schwester.»
Fidelma zögerte, dann zuckte sie die Achseln. Im Grunde konnte sie ihn ebenso gut jetzt befragen wie zu jedem späteren Zeitpunkt, auch wenn dies bedeutete, seinem anmaßenden Gebaren nachzugeben.
«Ich möchte wissen, wo Ihr wart, als Wighard ermordet wurde.»
Puttoc starrte sie an. Nur seinem feindseligen Blick war zu entnehmen, was wirklich in ihm vorging.
«Was wollt Ihr damit andeuten, Schwester?» zischte er.
Fidelma reckte das Kinn. «Andeuten? Das war eine einfache Frage. Und die Vertreter des Heiligen Vaters haben mir die Befugnis erteilt, jeden zu verhören, der mit Wighard im gleichen Stockwerk untergebracht war. Habe ich mich klar genug ausgedrückt?»
Der Abt blinzelte. Offenbar war er überrascht, daß eine junge Irin so kühne Worte an ihn richtete. Doch er ließ sich nicht einschüchtern. «Ich glaube, Ihr vergeßt Eure Stellung, Schwester. Als Mitglied der Gemeinschaft der Heiligen Brigid von Kildare …»
«Ich vergesse meine Stellung nicht, Puttoc. Ich spreche nicht
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