Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Ein Totenhemd fur einen Erzbischof

Ein Totenhemd fur einen Erzbischof

Titel: Ein Totenhemd fur einen Erzbischof Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: authors_sort
Vom Netzwerk:
wette, Ihr wißt nicht einmal, wer Euer Vater ist?»
    Mit stummem Entsetzen sah Eadulf, wie Fidelmas Wangen sich ebenfalls röteten und wie sie die hochfahrende Äbtissin finster anfunkelte. Fast befürchtete er, die irische Geistliche könnte angesichts dieser Beleidigung die Beherrschung verlieren. Doch Fidelma nahm sich zusammen und lehnte sich lächelnd auf ihrem Stuhl zurück. Als sie sprach, klang ihre Stimme ruhig und besonnen.
    «Mein Vater, Äbtissin Wulfrun, ist der gleiche wie Eurer: der eine, wahre Gott, dem wir gemeinsam dienen …»
    Äbtissin Wulfrun schnaubte verächtlich, aber ehe sie antworten konnte, fuhr Fidelma fort. «Da Ihr Euch jedoch offenbar mehr mit weltlichen Dingen beschäftigt als mit dem Glauben, der für Euch eigentlich an erster Stelle stehen sollte, will ich Euch verraten, daß mein weltlicher Vater Faílbe Fland mac Aedo, König von Cashel und Munster war und mein Bruder Colgú heute an seiner Statt regiert. Nicht, daß ich damit prahlen möchte, denn meine Taten sind alles, was in diesem Leben zählt. Als Advokatin an den Gerichtshöfen meines Heimatlandes setze ich mich für die Gerechtigkeit ein. Wohl auch aus diesem Grund haben mich der superista und der nomenclator Seiner Heiligkeit beauftragt, in diesem Mordfall zu ermitteln.»
    Eadulf war überrascht. Es war das erste Mal, daß Fidelma über ihre Herkunft gesprochen hatte. Unbeirrt von den wütenden Blicken der hochmütigen Äbtissin sprach sie weiter: «Als ich in den Dienst des auferstandenen Christus trat, unterwarf ich mich seiner Lehre, die besagt, daß wir vor ihm alle gleich sind. Kennt Ihr nicht die Stelle aus dem Brief des Timotheus: ‹Sagt den Reichen und Mächtigen, sie sollen weder stolz noch hochfahrend sein noch sich auf ungewisse Reichtümer stützen. Ihre Hoffnung richte sich ganz allein auf den lebendigen Gott›?»
    Äbtissin Wulfruns Gesicht zuckte vor Zorn. Sie sprang so heftig auf, daß ihr Stuhl nach hinten fiel. Wegen der heftigen Bewegung verrutschte ihre Kopfbedeckung und gab einen Teil ihres Halses frei. Erschrocken betrachtete Fidelma den auffälligen roten Striemen an der Kehle der Äbtissin, der offenbar von einer alten Wunde herrührte. Wulfrun, die das gar nicht bemerkt hatte, zischte aufgebracht: «Ich lasse mich nicht beleidigen von … von …»
    Ihr fehlten die Worte. Wütend stürmte sie aus dem Zimmer. Furius Licinius sah ihr hilflos nach.
    Kopfschüttelnd lehnte Bruder Eadulf sich zurück. «Die Äbtissin habt Ihr Euch auf jeden Fall zur Feindin gemacht, Fidelma», sagte er mit Bedauern.
    Fidelma wirkte äußerlich ruhig, aber ihre Wangen waren noch immer gerötet, und ihre grünen Augen blitzten. «Wer sich keine Feinde macht, wird auch keine Freunde gewinnen», entgegnete sie. «Schließlich kann man einen Menschen nach seinen Feinden beurteilen, und ich ziehe es vor, eine solche Frau zur Feindin anstatt zur Freundin zu haben.» Sie wandte sich an Furius Licinius. «Sucht nach Schwester Eafa und bringt sie zu uns, ohne daß Äbtissin Wulfrun etwas davon erfährt.»
    Der verwirrte tesserarius salutierte. Es war das erste Mal, daß er einen Befehl von Fidelma mit einem militärischen Gruß entgegennahm.
    «Warum die Geheimniskrämerei?» fragte Eadulf neugierig, als Furius Licinius gegangen war.
    «Diese Äbtissin Wulfrun ist wirklich auffallend herrisch. Steckt bloß Dummheit dahinter, oder hat ihr Gehabe irgendeinen Sinn? Versucht sie, durch ihren Hochmut etwas zu verbergen?»
    Der sächsische Bruder verzog das Gesicht. «Sie hat sehr mächtige Verwandte, Fidelma. Ich an Eurer Stelle würde vorsichtiger sein.»
    «Ihre Macht beschränkt sich auf die sächsischen Königreiche. Ich habe nicht die Absicht, dorthin zurückzukehren, wenn ich hier fertig bin.»
    Eadulf wunderte sich, warum der Gedanke an ihre Abreise ihm einen so schmerzlichen Stich versetzte.
    «Wie dem auch sei», erwiderte er. «Offenbar kann Äbtissin Wulfrun ein Licht auf die Sache werfen.»
    Fidelma sah ihn nachdenklich an. «Immerhin ist deutlich geworden, daß sie nicht offen ist und es vorzieht, sich hinter ihrem Hochmut zu verstecken. War es nicht Ovid, der sagte, Angriff sei die beste Verteidigung?»
    Eadulf blickte finster vor sich hin. «Aber was könnte sie uns verheimlichen wollen?»
    Fidelma grinste. «Ich glaube, es liegt an uns, das zu entdecken.»
    Eadulf nickte. «Aber welche Bedeutung hätte das für unsere Untersuchung?»
    Fidelma beugte sich vor und legte eine Hand auf Eadulfs Arm. «Ich fürchte, Ihr

Weitere Kostenlose Bücher