Ein Totenhemd fur einen Erzbischof
Lachen aus.
«Ich habe davon gehört und gebe nicht das geringste darauf.» Er wurde ernst. «Als ich die Nachricht von dem Mord bekam und hörte, daß man Bruder Ronan verhaftet hat, konnte ich es nicht fassen. Und ich werde auch in Zukunft nicht an seine Schuld glauben. Wenn Ihr den wahren Mörder finden wollt, müßt Ihr woanders suchen.»
Fidelma betrachtete ihn aufmerksam.
«Wieso?» fragte sie. «Warum seid Ihr so sicher, daß Ronan nicht der Mörder ist?»
«Weil …» Osimo schaute sich im Zimmer um, als suche er dort nach einer Antwort. «Weil es nicht seinem Wesen entspricht. Wenn Ihr mir sagen würdet, der Heilige Vater habe am Bacchusfest teilgenommen und – Gott verzeihe mir – nackt im Bacchustempel an der Sacra Via getanzt, würde ich Euch eher glauben, als wenn Ihr mir erzähltet, Bruder Ronan sei eines Mordes fähig.»
Ein Lächeln spielte um Fidelmas Lippen.
«Ihr setzt Euch ja mächtig für Euren Mitarbeiter ein, Bruder Osimo.»
«Und es ist meine feste Überzeugung», ergänzte der sub-praetor mit fester Stimme.
«Und doch wurde Ronan festgenommen, als er nach Wighards Tod aus dessen Gemächern floh. Bei seiner Festnahme hat er einen falschen Namen angegeben und später ist er aus dem Wachhaus der custodes entwichen», warf Eadulf ein. «Nennt Ihr das die Handlungsweise eines unschuldigen Mannes, Bruder Osimo?»
Osimo sah unglücklich drein, ließ sich aber nicht beirren. «Es könnte die Handlungsweise eines verzweifelten Mannes sein – eines Mannes, der erfahren mußte, wie sich trotz seiner Unschuld alles gegen ihn verschwor. Um seine Unschuld zu beweisen, mußte er als erstes seine Freiheit wiedererlangen.»
Fidelma sah dem jungen Mann schweigend in die Augen, dann fragte sie mit betont ruhiger Stimme: «Hat Bruder Ronan Euch das höchstpersönlich mit diesen Worten erklärt?»
Osimo errötete. «Natürlich nicht.» Seine Stimme zitterte vor Empörung.
In Fidelmas Ohren klang seine Antwort wenig überzeugend. Sie beschloß, noch einmal nachzuhaken. «Ihr habt Bruder Ronan also seit seiner Flucht nicht mehr gesehen? Und doch sprecht Ihr in seinem Sinne.»
«Ich habe in den letzten neun Monaten eng mit ihm zusammengearbeitet, und wir sind … Freunde geworden. Gute Freunde.»
Osimo sah zur Seite und reckte trotzig das Kinn.
Fidelma beugte sich vor. «Euch ist klar, daß Ihr gesetzlich verpflichtet seid, unverzüglich die custodes zu benachrichtigen, falls Ihr Ronan Ragallach begegnet?»
«Ja, das ist mir klar», erwiderte Osimo mit ruhiger Stimme.
Fidelma lehnte sich wieder zurück und betrachtete den jungen Mann nachdenklich. «Dann ist es ja gut, Bruder Osimo. Glaubt mir, ich habe fest vor, den Mord an Wighard von Canterbury auf den Grund zu gehen. Wenn Bruder Ronan unschuldig ist, werde ich es beweisen. Sollte sich dagegen seine Schuld herausstellen, wird es für ihn kein Entrinnen geben.»
Ihr bestimmter, ehrlicher Ton ließ Osimo aufschauen.
«Ich verstehe», flüsterte er.
«Laßt uns noch einmal auf den Mord zu sprechen kommen», mischte sich Eadulf ein. «Wann habt Ihr Bruder Ronan das letzte Mal gesehen?»
«Am Tag vor der Mordnacht war Bruder Ronan bei uns im munera peregrinitatis , bis es zum Abendangelus läutete.»
«Habt Ihr Wighard oder einen der anderen Pilger aus Canterbury jemals zu sehen bekommen?»
Osimo schüttelte den Kopf.
Fidelma wandte sich an Eadulf. «Ich habe keine weiteren Fragen, es sei denn …?»
Eadulf verneinte.
«Dann, Bruder Osimo … Ach, eine Sache hätte ich fast vergessen.» Sie griff in ihr marsupium , holte das Papyrusstück heraus und reichte es ihm. «Könnt Ihr mir sagen, was das für eine Sprache ist?»
Bruder Osimos Augen weiteten sich. Obwohl er sich rasch wieder faßte, war sein erschrockener Blick Fidelma nicht entgangen.
«Diese Schriftzeichen entstammen der Sprache der Araber», erklärt er. «Aramäisch wird sie allgemein genannt.»
«Und was haben sie zu bedeuten?»
«Schwer zu sagen. Es handelt sich um einen kleinen Ausriß aus irgendeinem unbekannten Text … Vielleicht sogar aus einem Brief … Nur einige wenige Worte sind zu entziffern.»
«Und welche Worte sind das?» fragte Fidelma.
«Die Schrift der Araber wird von rechts nach links gelesen. Ich erkenne die Worte für ‹Bibliothek› und ‹heilige Krankheit›, die Endung ‹ophilus› als Teil eines griechischen Namens und die Worte für ‹Preis› und ‹Handel›. Das ist auch schon alles. Ich glaube nicht, daß das irgendeinen Sinn
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