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Ein toter Lehrer / Roman

Ein toter Lehrer / Roman

Titel: Ein toter Lehrer / Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Simon Lelic
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Schienbein, seine fleischige Wade an ihrem Knie. Jetzt roch sie das Bier, und der Geruch von altem Schweiß stieg ihr in die Nase.
    »Du brauchst dringend eine Dusche, Walter. Und nimm dein Bein da weg.«
    »Zwei Minuten, hast du gesagt. Los, Walter, lass uns gehen.«
    »Habt ihr das gehört? Jetzt soll ich mich ganz ausziehen. Sie will mich nackt sehen.« Er grinste Lucia an. »Klar nehme ich eine Dusche. Wenn du mir die Seife reichst.«
    »Dein Bein, Walter.«
    »Was ist damit? Willst du es lieber da?« Er bewegte sein Bein nach oben. »Oder da?« Sein Bein glitt nach unten.
    »Nimm dein Bein weg. Nimm dein verdammtes Bein da weg.«
    »Komm schon, Walter. Gehen wir.«
    »Harry hat recht, Walter. Feierabend. Und zwar im wahrsten Sinne des Wortes.«
    Walter drückte sein Bein ein wenig fester gegen das von Lucia. Er beugte sich zu ihr. »Wie wäre es mit einem kleinen Gutenachtkuss?«, fragte er und spitzte die Lippen. Er schloss die Augen, dann öffnete er sie wieder. »Aber lass die Zunge aus dem Spiel, ja?«, sagte er. »Dieses eine Mal wenigstens.« Lucia sah Harry an. Harry beobachtete die Szene über die Schultern seiner Kumpels hinweg, die Hand auf einer Stuhllehne und den Blick starr auf Walter gerichtet.
    Lucia stand auf. »Ich brauche einen Kaffee«, sagte sie. Sie streifte sich das Haar hinter die Ohren und ging den langen Weg um ihren Schreibtisch herum, an Charlie, Rob und Harry vorbei. Sie sah keinen von ihnen an. Sie hörte Walter gackern und Rob und Charlie kichern, und sie hoffte, dass keiner von ihnen ihr Zittern sah.

D ie Jungs sind Idioten. Alle Jungs. Und ich weiß, man soll so was nicht sagen, man soll nicht schlecht über die Toten reden und so, aber Donovan, Donovan Stanley, der war der Oberidiot.
    Er war nicht der Größte. Auch nicht der Stärkste. Aber er war der Schnellste. Mit seinen Sprüchen, meine ich. Der Schnellste und der Gemeinste. Er hat immer Sachen gesagt, die konnte man echt nicht glauben, und dann hat er was anderes gesagt, und man saß da und fragte sich, ob man richtig gehört hatte, ob er das Erste überhaupt gesagt hatte, das davor. Wissen Sie, was ich meine?
    Er sah ziemlich gut aus. Normalerweise stehe ich nicht so auf schwarze Haare, aber bei ihm gefielen sie mir. Sie passten voll gut zu seinen Augen. Er hatte blaue Augen, wie mein kleiner Bruder, aber die von ihm kriegen jetzt eine andere Farbe, sie werden braun. Samantha behauptet, ich wär in ihn verknallt gewesen. War ich aber nicht. Als es passiert ist, bin ich gerade mit Scott gegangen, Scott Davis, und deswegen hätte ich es keinem erzählt, selbst wenn es gestimmt hätte. Hat es aber nicht. Und überhaupt, er hat sich nicht für Mädchen interessiert. Er war nicht schwul, nee, das nicht, aber Mädchen interessierten ihn halt nicht, nicht als, na ja, so als Freundinnen. Er ging mit ihnen ins Bett, ich kenne welche, die waren mit ihm im Bett, und vielleicht ging er auch zweimal mit ihnen ins Bett, aber das war’s dann. Ich war nie mit ihm im Bett. Ich hoffe, Sie denken jetzt nicht, ich finde das schade, weil, das ist wirklich Quatsch.
    Er war fünfzehn, wie ich. Stellen Sie sich mal vor, mit fünfzehn erschossen werden. Also, sterben. Und dieses Mädchen, Sarah, war die nicht erst elf? Ich kannte sie nicht. Und den Schwarzen auch nicht. Ich kannte nur Donovan, wenn auch nicht so gut. Er war der Älteste von den dreien, aber er war ja immer noch ziemlich jung, finden Sie nicht? Er hat sich immer benommen, als wäre er achtzehn oder so, und erzählt, er wäre mit dem Auto von seinem Cousin gefahren oder hätte mit seinem Cousin im Pub abgehangen, aber ich weiß nicht, ob das stimmt. Stellen Sie sich mal vor, Sie sterben, bevor Sie alt genug sind, um den Führerschein zu machen. Oder bevor Sie in einem Pub was zu trinken kriegen.
    Aber ein paar von den Kids, die sind bestimmt froh, dass er tot ist. Das sollte ich jetzt wohl lieber auch nicht sagen, aber es ist nun mal so. Donovan und die anderen, die haben meist auf den jüngeren Kids rumgehackt, auf jedem, der ihnen irgendwie nicht passte. Wobei, das eine Mal, da haben sie diesen Zwölftklässler vermöbelt, Jason hieß er, Jason Bailey. Jason und die anderen, die haben Fußball gespielt, und Donovan hat ihn gefoult, ihm in die Beine gegrätscht oder so was, und da hat Jason zu Donovan gesagt, er würde bescheißen, ihn einen verfickten Betrüger genannt. Und Donovan war ja auch ein Betrüger, er foulte immer irgendwen oder ließ blöde Sprüche ab oder so, aber

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