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Ein toter Lehrer / Roman

Ein toter Lehrer / Roman

Titel: Ein toter Lehrer / Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Simon Lelic
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Verzug.«
    Lucia sah sich in der Aula nach dem Seil um. Es war nicht mehr da. Alle Seile und Sprossenwände waren verschwunden. »Wird es den Schülern nicht schwerfallen, sich zu konzentrieren?«, fragte Lucia. »Hier in diesem Raum?«
    Der Direktor tat, als hätte er ihre Frage nicht gehört. Er rief einem Arbeiter zu, er solle die Pulte nicht so dicht aneinanderstellen. Kopfschüttelnd wandte er sich wieder zu Lucia. »Sie wollten mir gerade erzählen, was Sie entdeckt haben, Detective. Sie wollten mir erzählen, was Ihre Befragungen ergeben haben.«
    »Sie hatten sich danach erkundigt«, entgegnete Lucia. »Weiter waren wir noch nicht.«
    »Die Ergebnisse werden also unter Verschluss gehalten. Sie haben das Gefühl, mir nicht trauen zu können.«
    »Nein. Keineswegs. Aber die Ermittlungen laufen noch.«
    Der Direktor zog eine Augenbraue hoch. Die zweite folgte. »Das erstaunt mich, Detective. Ich hatte den Eindruck, der Fall sei jetzt abgeschlossen.«
    »Dann waren Sie falsch informiert, Mr. Travis. Das ist er noch nicht.«
    »Nun, wenn das so ist, dann spreche ich beim nächsten Mal direkt mit Ihnen«, erwiderte Travis. »Ich werde von nun an nicht mehr auf das Unterstellungsverhältnis vertrauen.«
    »Das Unterstellungsverhältnis?«
    »Ich habe mit Ihrem Vorgesetzten gesprochen, Detective Chief Inspector Cole. Genau genommen hat er mich angerufen. Er informierte mich, dass Ihre Ermittlungen dem Ende zugehen.«
    »Er hat Sie angerufen? Wie aufmerksam von ihm.«
    »In der Tat«, erwiderte der Direktor. »Er scheint ein sehr aufmerksamer Mensch zu sein.«
    Lucia blickte sich um. Sie sah, wie ein Stapel Pulte ins Wanken geriet, als einer der Arbeiter den benachbarten wegzog. Er würde umfallen, und obwohl Lucia auf das Geräusch vorbereitet war, zuckte sie zusammen. Sie sah den Direktor an und erwartete ein Donnerwetter, aber Travis’ ganze Aufmerksamkeit galt ihr.
    »Wir werden einen Gedenkgottesdienst abhalten«, sagte er. »Am Montag um zehn Uhr. Nicht hier. Draußen. Auf dem Sportplatz gibt es einen Bereich, der mir geeignet erscheint. Vielleicht wären Sie so nett und würden auch daran teilnehmen.«
    »Danke«, erwiderte Lucia. »Ich werde nicht kommen.«
    »Sie müssen die Ermittlungen zu Ende bringen.«
    Sie nickte. »Genau.«
    Der Direktor lächelte. Er schien nachzudenken. »Sagen Sie, Detective«, begann er schließlich. »Warum sind Sie hier?«
    »Verzeihung?«
    »Ich will damit sagen«, fuhr der Direktor fort, »dass es scheint, als würden Sie ein bestimmtes Ziel verfolgen.«
    Lucia sah ihm in die Augen. Bevor sie es sich anders überlegen konnte, redete sie auch schon. »Elliot Samson«, sagte sie. Sie wartete auf eine Reaktion, vergebens. »Er war ein Schüler dieser Schule, stimmt das?«
    »Er ist ein Schüler dieser Schule, Detective. Er war und ist einer unserer Schüler.«
    »Natürlich. Und ich nehme an, Sie wissen, was ihm zugestoßen ist?«
    »Natürlich weiß ich das.«
    »Vielleicht könnten Sie es mir erzählen. Vielleicht könnten Sie mir Ihre Sicht der Dinge schildern.«
    Noch einmal gab es einen lauten Knall, als ein weiterer Stapel umfiel. Weder der Direktor noch Lucia nahmen davon Notiz.
    »Er wurde angegriffen. Angegriffen und verletzt. Jetzt liegt er im Krankenhaus. Soweit ich weiß, wird er vollständig genesen.«
    »Er redet nicht. Wussten Sie das? Seine Verletzungen sind geheilt, aber er redet einfach nicht.«
    »Verzeihen Sie, Detective. Ich wusste nicht, dass Sie auch mit den Ermittlungen im Fall Samson betraut sind. Sie haben ja wirklich alle Hände voll zu tun. Das erklärt natürlich die Verzögerung.«
    »Nein«, antwortete Lucia. »Ich bin nicht damit betraut.«
    »Dann hat es also etwas mit dem Amoklauf zu tun? Was Elliot Samson zugestoßen ist, steht in Verbindung mit dem Amoklauf?«
    »Nein. Nicht offiziell.«
    »Aber inoffiziell.«
    »Ich bin neugierig, Mr. Travis, das ist alles.«
    »Ich verstehe.« Der Direktor nickte. Sein Gesichtsausdruck war ernst, und er wirkte verwirrt. Lucia stellte sich vor, sie wäre als Schülerin zu ihm zitiert worden, um irgendeine Unbedachtheit zu erklären, die nicht zu erklären war. »Und was genau ist der Gegenstand Ihrer Neugier?«
    »Nun«, begann Lucia, »zum einen bin ich neugierig auf Ihre Reaktion. Auf die Reaktion der Schule.«
    »Die Versammlung, Detective. Jene verhängnisvolle Schulversammlung. Ich hatte Sie doch darüber informiert, nicht wahr?«
    »Ja, Mr. Travis. Ich habe mich trotzdem gefragt, was Sie sonst noch

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