Ein Tropfen Zeit
Verwalter warst.«
»Dies ist sein Haus, und er hat das Recht, hier zu sein«, sagte Isolda. »Außerdem ist er mein Freund, und ich möchte, daß er bleibt.«
Joanna zuckte die Achseln und setzte sich Isolda gegenüber an das untere Ende des Tisches.
»Wenn Lady Carminowe gestattet«, sagte der Mönch geschmeidig, »dies ist der Brief von Eurem Bruder Sir William Ferrers, der vor ein paar Tagen in Trelawn ankam. Sir William dachte wohl, sein Bote werde Euch bei Lady Champernoune antreffen. Er lautet folgendermaßen:
›Liebste Schwester, die Nachricht von deiner Flucht aus Tregesteyton hat uns in Bere wegen der rauhen Witterung und der schlechten Wege erst in der letzten Woche erreicht. Ich kann dein Handeln und deine Unvorsichtigkeit nicht begreifen. Du weiß wohl, daß du damit jeden Anspruch auf die Zuneigung deines Mannes und deiner Kinder – und ich gestehe, auch meine – verwirkt hast. Ob Oliver dich aus christlicher Barmherzigkeit wieder in Carminowe aufnimmt, weiß ich nicht, bezweifle es jedoch sehr, denn er fürchtet gewiß deinen schädlichen Einfluß auf seine Töchter, und ich könnte dir in Bere keinen Schutz bieten, da Mathilda als Olivers Schwester allzusehr mit ihrem Bruder fühlt, um seiner sündigen Frau Gastfreundschaft zu gewähren. Sie ist, seit sie von deiner Flucht erfuhr, so aufgebracht, daß sie deine Anwesenheit in einer Familie mit fünf Kindern nicht dulden könnte. So bleibt dir anscheinend nur noch ein Weg, nämlich im Nonnenkloster Cornworthy in Devon Zuflucht zu suchen, da ich die Äbtissin kenne, und dort in aller Abgeschiedenheit zu leben, bis Oliver oder ein anderes Familienmitglied sich bereit findet, dich bei sich aufzunehmen. Ich bin sicher, daß deine Base Joanna ihren Knechten erlauben wird, dir bis Cornworthy Geleit zu geben.
Lebwohl in der Allmacht Christi,
Dein bekümmerter Bruder
William Ferrers.‹«
Der Mönch faltete den Brief zusammen und reichte ihn Isolda über den Tisch hinweg. »Seht selbst, Mylady«, murmelte er, »der Brief ist in Sir Williams Handschrift geschrieben und trägt seine Unterschrift. Es ist keine Täuschung möglich.«
Sie blickte nur flüchtig auf das Schreiben. »Du hast recht«, sagte sie, »es ist keine Täuschung möglich.«
Joanna lächelte. »Wenn William gewußt hätte, daß du hier bist und nicht in Trelawn, hätte er vermutlich nicht so großmütig geschrieben, und die Äbtissin wäre nicht bereit, dir die Tür ihres Klosters zu öffnen. Du kannst dich aber auf mich verlassen: Ich werde es geheimhalten und dir eine Begleitung nach Devon mitgeben. Zwei Tage unter meinem Dach, um die notwendigen Vorbereitungen zu treffen und dir andere Gewänder zu beschaffen – ich sehe, daß du sie dringend brauchst –, und du kannst aufbrechen.« Sie lehnte sich mit triumphierender Miene im Stuhl zurück. »Ich habe gehört, daß in Cornworthy mildes Klima herrscht und die Nonnen dort sehr alt werden«, fügte sie hinzu.
»Dann laß uns zusammen hinter Klostermauern leben«, antwortete Isolda. »Witwen, deren Söhne heiraten wie dein Sohn William im nächsten Jahr, müssen ein neues Obdach finden, ebenso wie Frauen, die vom rechten Wege abgekommen sind. Wir sind Schwestern im Unglück.«
Sie sah Joanna stolz und herausfordernd an; das Kerzenlicht, das Schatten auf die Mauern warf, verzerrte ihre Gestalten, und Joanna mit ihrer Kapuze und dem Witwenschleier glich beinahe einem Ungeheuer.
»Du vergißt«, sagte sie, während sie mit ihren vielen Ringen spielte und sie von einem Finger auf den anderen schob, »daß ich die Erlaubnis habe, mich wieder zu verheiraten, und ich brauche mir nur in einer Schar von Bewerbern einen auszusuchen. Du bist immer noch an Oliver gebunden und außerdem entehrt. Dir bleibt jedoch noch eine andere Möglichkeit als das Nonnenkloster Cornworthy, wenn dir das lieber ist: Als Mätresse meines ehemaligen Verwalters hierbleiben, aber ich mahne dich – die Gemeinde könnte mit dir genauso verfahren wie heute mit meiner Pächterin in Tywardreath. Dann müßtest du auf einem schwarzen Bock zur Beichte in die Kapelle des Gutshauses reiten.«
Sie brach in schallendes Gelächter aus, wandte sich dann dem Mönch zu, der hinter ihrem Stuhl stand, und sagte: »Was meinst du, Bruder Jean? Wir könnten die eine auf einen Widder setzen und die andere auf eine Sau, und dann müßten sie beide nebeneinander reiten oder die Länder von Kylmerth verlieren.«
Ich wußte, was geschehen würde, und genauso kam es. Roger
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