Ein Tropfen Zeit
packte den Mönch und schleuderte ihn an die Wand. Dann beugte er sich über Joanna und riß sie aus dem Stuhl.
»Beleidigt mich, soviel Ihr wollt, Lady Champernoune, aber nicht Lady Carminowe«, sagte er. »Dies ist mein Haus. Verlaßt es jetzt.«
»Ich gehe, sobald sie sich entschieden hat«, erwiderte Joanna. »Draußen im Kuhstall auf deinem Hof warten drei meiner Knechte. Viele andere stehen bei meinem Wagen auf dem Berg, und sie sind bereit, dir ihren Groll heimzuzahlen.«
»Ruft sie nur her«, sagte Roger. »Robbie und ich können unser Haus gegen jeden Eindringling, gegen die ganze Gemeinde verteidigen, wenn Ihr wollt.«
Seine ärgerlich erhobene Stimme war ins Schlafzimmer hinaufgedrungen, und Bess lief, bleich und verängstigt, die Leiter herunter und stellte sich neben Isolda.
»Wer ist das?« fragte Joanna. »Noch eine Person für die Schaftrift. Wie viele Dirnen beherbergst du in deiner Dachstube?«
»Bess ist Rogers Schwester und damit auch meine«, entgegnete Isolda, die den Arm um das erschreckte Mädchen legte. »Und jetzt, Joanna, ruf deine Diener, so daß wir dich loswerden. Gott weiß, daß wir deine Beleidigungen lange genug ertragen haben.«
»Wir?« fragte Joanna. »Du zählst dich also zu ihnen?«
»Ja, solange ich ihre Gastfreundschaft genieße.«
»So willst du nicht mit mir nach Trelawn fahren?«
Isolda zögerte und blickte Roger und Bess an. Aber bevor sie antworten konnte, trat der Mönch aus dem Schatten an der Mauer hervor.
»Es gibt noch eine dritte Möglichkeit für Lady Carminowe«, murmelte er. »Ich segle innerhalb von vierundzwanzig Stunden von Fowey zum Mutterkloster des heiligen Sergius und Bacchus in Angers. Wenn Sie und das Mädchen mit mir nach Frankreich wollen, so wüßte ich dort ein Asyl für sie. Niemand würde sie belästigen, und sie wären vor Verfolgungen sicher. Sobald sie erst einmal in Frankreich sind, wird man sie hier ganz vergessen, und Lady Carminowe wäre frei und könnte in schönerer Umgebung als hinter Klostermauern ein neues Leben beginnen.«
Das war offensichtlich ein Vorwand, um Bess und Isolda aus Rogers Obhut fortzulocken und in die Gewalt des Mönchs zu bringen, damit er nach seinem Belieben mit ihnen verfahren konnte, und ich erwartete, daß selbst seine Herrin ihn zurechtweisen würde. Aber sie lächelte nur und zuckte die Achseln.
»Auf mein Wort, Bruder Jean, du zeigst wahre Christenliebe«, bemerkte sie. »Was sagst du nun, Isolda? Jetzt hast du drei Möglichkeiten: die Abgeschiedenheit von Cornworthy, das Leben im Schweinestall von Kylmerth oder den Schutz eines Benediktinermönchs jenseits des Kanals. Ich wüßte, was ich täte.«
Sie blickte sich um wie zuvor bei ihrem Eintritt, ging durch den Raum, berührte die verrußten Wände, zog eine Grimasse, betrachtete ihre Finger und wischte sie mit ihrem Taschentuch ab. Schließlich blieb sie neben der Leiter stehen, die in die Dachkammer hinaufführte, und setzte den Fuß auf die erste Sprosse.
»Ein Strohsack, und obendrein ein verlauster, für vier?« fragte sie. »Ob du nun nach Devon oder nach Frankreich fährst, Isolda, ich wäre dir dankbar, wenn du dein Kleid zuerst mit Essig bespritzt.«
In meinen Ohren begann es zu summen und zu donnern. Die Gestalten verblaßten bis auf Joanna, die neben der Leiter stand. Sie sah mich mit weit aufgerissenen Augen an, und plötzlich war mir alles gleich. Ich wollte nur meine Hände um ihren Hals legen und sie erwürgen, bevor sie sich wie die anderen in Nichts auflöste. Ich ging auf sie zu, sie verschwand immer noch nicht, sondern fing an zu schreien, und ich schüttelte sie hin und her, die Hände an ihrem plumpen weißen Nacken.
»Verfluchtes Weib!« schrie ich. »Verflucht! Verflucht!« Um mich her, über mir ertönten laute Schreie. Ich lockerte meinen Griff und blickte auf; die Jungen hockten auf dem Absatz der Treppe; Vita war neben mir gegen das Geländer gefallen, starrte mich bleich und entsetzt an und bedeckte mit den Händen ihren Hals.
»O mein Gott«, rief ich. »Vita, Liebling … O mein Gott!«
Ich stürzte, von einem furchtbaren, übermächtigen Schwindel erfaßt, vornüber gegen das Treppengeländer und erbrach, und Vita schleppte sich hinauf in Sicherheit, stellte sich hinter die Jungen, und alle drei fingen von neuem an zu schreien.
23
Ich lag hilflos auf der Treppe und klammerte mich an das Geländer. Wände und Decke drehten sich um mich. Wenn ich die Augen schloß, wurde der Schwindel noch stärker, und grelle
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