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Ein Tropfen Zeit

Titel: Ein Tropfen Zeit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Daphne DuMaurier
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übereignen.«
    Der Student hatte unten auf die Seite ›b.w.‹ gekritzelt, und als ich das Blatt umdrehte, fand ich eine aufgeklebte Notiz: ›14. November 1331. – Befehl an den Bevollmächtigten diesseits des Trent, die ehemaligen Ländereien des verstorbenen Lehnsmannes John de Carminowe dem König zu übereignen. Das gleiche in bezug auf die Länder Henrys, Sohn des Otto Bodrugan.‹
    Demnach hatte sich Sir John trotz aller Vorsicht doch angesteckt und war ebenfalls an den Pocken gestorben, und Joanna hatte den von ihr auserwählten zweiten Mann verloren.
    Ich vergaß die Gegenwart, vergaß das Durcheinander am Bahnhof, saß im Gästezimmer auf dem Bett und dachte an die andere Welt. Welchen Rat hatte Roger der enttäuschten Joanna Champernoune wohl erteilt? Der Tod der beiden Bodrugans mußte ihre Hoffnungen auf den Besitz von deren Ländereien gewaltig gesteigert haben, aber dann wendete sich das Blatt plötzlich, und der Aufseher der Schlösser Restormel und Tremerton starb. Sie tat mir beinahe leid. Sir John, der Pechvogel, hatte sich umsonst das Taschentuch vor den Mund gehalten. Wer würde nun wohl seine Stelle als Aufseher der Schlösser, Wälder und Parks von Cornwall übernehmen? Hoffentlich nicht sein Bruder Oliver, dieser kaltblütige Mörder …
    »Was hast du jetzt vor?« rief Vita von unten herauf. Was konnte ich schon tun? Oliver war mit seiner Bande verschwunden, und es blieb Roger überlassen, sich um Isolda zu kümmern. Ich wußte immer noch nicht, was aus Isolda geworden war …
    Ich hörte, daß Vita die Treppe heraufkam, steckte hastig die Papiere in den Umschlag, stopfte ihn in meine Tasche und schloß den Koffer. Ich mußte mich wieder auf die Gegenwart umstellen. Gerade jetzt durfte ich mich nicht versprechen.
    »Ich habe Magnus' Schlafanzug und seinen Morgenrock ausgepackt«, sagte ich, als sie eintrat. »Er wird ziemlich erledigt sein, wenn er ankommt.«
    »Warum läßt du ihm nicht gleich das Badewasser einlaufen und richtest ihm das Tablett für den Tee morgen früh?« erwiderte sie. »Mir ist nicht aufgefallen, daß du dich gegenüber Bill und Diana als so aufmerksamer Gastgeber hervortatest.«
    Ich überhörte ihren Spott und ging ins Ankleidezimmer. Von der Bibliothek unten hörte ich Stimmen aus dem Fernsehgerät. »Wird Zeit, daß die Jungs ins Bett gehen«, sagte ich matt.
    »Ich habe ihnen versprochen, daß sie aufbleiben dürfen, bis der Professor kommt«, sagte Vita. »Aber ich glaube, du hast recht, es hat wenig Sinn, daß sie noch länger da herumhocken. Meinst du nicht, du solltest nach Par hinüberfahren? Vielleicht sitzt er in einem Wirtshaus und vergißt die Welt.«
    »Magnus ist nicht der Typ, der in Wirtshäusern sitzt.«
    »Dann hat er womöglich alte Bekannte getroffen und ißt bei ihnen statt bei uns.«
    »Das ist sehr unwahrscheinlich. Und verdammt unhöflich, wenn er nicht wenigstens anruft«, antwortete ich. Wir gingen zusammen in den Flur hinunter. »Außerdem hat er, soviel ich weiß, hier in der Gegend keine Bekannten«, fügte ich dann hinzu.
    »Ah«, sagte Vita plötzlich, »ich hab's! Er hat die Carminowes getroffen! Die haben doch kein Telefon. So ist es ganz bestimmt. Er hat sie in Par gesehen, und sie haben ihn zum Essen mitgenommen.«
    Ich starrte sie betroffen an. Was sagte sie da? Und plötzlich begriff ich. Auf einmal wurde die Nachricht, die Magnus dem Aufseher übermittelt hatte, ganz klar und sinnvoll. »Der Eigentümer des Koffers, Professor Lane, hat dem Aufseher mitgeteilt, er habe es sich anders überlegt und beschlossen, in Par auszusteigen und von da aus zu Fuß zu gehen. Er sagte, Mr. Young werde schon verstehen.«
    Magnus war von Bodmin Road in den Personenzug nach Par umgestiegen, weil er langsamer durch das Treesmill-Tal fuhr als der Eilzug. Er wußte nach meiner Beschreibung, daß er nur am Treesmill-Hof vorbeigehen und sich links halten mußte, um den Steinbruch zu erreichen. Dann war er sicher die Straße nach Tywardreath hinauf und über die Felder gegangen, um sich das Gelände anzusehen.
    »Mein Gott«, rief ich. »Wie dumm von mir! Darauf bin ich gar nicht gekommen. Natürlich. Das ist es!«
    »Du meinst, er hat die Carminowes besucht?« fragte Vita.
    Vermutlich war ich müde und aufgeregt. Vermutlich war ich auch erleichtert. Jedenfalls konnte ich mich nicht damit aufhalten, ihr alles zu erklären oder mir eine andere Lüge auszudenken. Das Einfachste, was ich sagen konnte, kam mir ganz von selbst über die Lippen.
    »Ja«,

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