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Ein Tropfen Zeit

Titel: Ein Tropfen Zeit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Daphne DuMaurier
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Treppe. »Wahrscheinlich hat man ihn als Kind damit gefüttert. Und außerdem haben wir Käse und Obst. Warum regst du dich so auf?«
    Ich fuhr den Wagen aus der Garage und mußte dabei selbst zugeben, daß diese Änderung der Ankunftszeit wenig Rücksicht bewies, denn Magnus hätte damit rechnen müssen, daß wir den Tag über nicht im Hause waren und deshalb seine Nachricht zu spät erhielten. Aber so war er nun einmal. Ihm hatte ein früherer Zug plötzlich mehr zugesagt, und deshalb nahm er ihn. Wenn ich zu spät ankam, um ihn abzuholen, würde er vermutlich ein Taxi nehmen und unterwegs nachlässig winkend an mir vorbeifahren.
    Auf dem Weg nach St. Austell verfolgte mich das Pech. Irgendein Dummkopf hatte seinen Wagen am Straßenrand geparkt, und eine lange Autoschlange wartete, um vorbeizukommen. Es wurde halb neun, bis ich vor dem Bahnhof von St. Austell vorfuhr. Von Magnus keine Spur – ich konnte es ihm nicht übelnehmen. Der Bahnsteig war leer, und es schien überall abgeschlossen zu sein. Endlich fand ich einen Gepäckträger auf der anderen Seite des Bahnhofs. Er sah mich zerstreut an und sagte nur, der Halb-acht-Uhr-Zug sei pünktlich angekommen.
    »Aber darum geht es nicht«, antwortete ich. »Ich war mit jemand verabredet, der mit diesem Zug kommen sollte, und er ist nicht hier.«
    »Nun, er hat wahrscheinlich ein Taxi genommen.«
    »Dann hätte er angerufen oder am Schalter eine Nachricht hinterlassen. Waren Sie hier, als der Zug einfuhr?«
    »Nein. Der Schalter wird rechtzeitig für den nächsten Zug geöffnet, und der kommt erst Viertel vor zehn.«
    »Das nützt mir nichts«, erwiderte ich gereizt. Der arme Kerl – es war ja nicht seine Schuld.
    »Na schön«, sagte er, »ich gehe mal in den Dienstraum und sehe nach, ob Ihr Freund eine Nachricht hinterlassen hat.«
    Wir gingen zum Bahnhof zurück, und er schloß die Tür des Dienstzimmers auf. Mein erster Blick fiel auf einen Koffer an der Wand; er trug ein Schild mit den Initialen M. A. L.
    »Das ist sein Koffer«, sagte ich, »warum hat er den nur hier gelassen?«
    Der Gepäckträger ging an den Schreibtisch und nahm einen Zettel hoch. »Der Koffer mit der Aufschrift M.A.L. wurde vom Aufseher des Sieben-Uhr-dreißig-Zuges abgegeben«, las er, »und soll einem Herrn namens Richard Young ausgehändigt werden. Sind Sie Mister Young?«
    »Ja. Aber wo ist Professor Lane?«
    Der Gepäckträger studierte den Zettel. »Der Eigentümer des Koffers, Professor Lane, hat dem Aufseher mitgeteilt, er habe es sich anders überlegt und beschlossen, erst in Par auszusteigen und von da aus zu Fuß zu gehen. Er sagte, Mister Young werde schon verstehen.« Er übergab mir die Notiz, und ich konnte mich selbst von ihrem Inhalt überzeugen.
    »Aber ich verstehe nichts«, sagte ich, noch ungeduldiger als zuvor, »ich wußte gar nicht, daß die Züge aus London heute noch in Par halten.«
    »Tun sie auch nicht«, erwiderte der Träger. »Sie halten in Bodmin Road, und wer nach Par will, steigt dort um. Das muß Ihr Freund demnach getan haben.«
    »Was für ein saudummer Einfall«, fluchte ich.
    »Wieso? Ist doch ein schöner Abend zum Spazierengehen. Und über den Geschmack läßt sich nicht streiten.«
    Ich dankte ihm für seine Mühe, ging zum Wagen und warf den Koffer auf den Rücksitz. Warum mußte Magnus es sich in den Kopf setzen, alle unsere Vereinbarungen über den Haufen zu werfen? Das war mir unbegreiflich. Sicher war er inzwischen in Kilmarth, saß vor seiner Makrele und machte sich vor Vita und den Jungen über die ganze Sache lustig. Ich fuhr in halsbrecherischer Geschwindigkeit zurück und kam genau halb zehn kochend vor Wut zu Hause an. Vita hatte ein ärmelloses Kleid angezogen, frisches Make-up aufgelegt und erschien im Musikzimmer, als ich die Treppe hinauflief.
    »Was ist denn euch zugestoßen?« fragte sie, aber das Willkommenslächeln der Gastgeberin erlosch auf ihrem Gesicht, als sie sah, daß ich allein war. »Wo ist er?«
    »Willst du etwa sagen, er ist noch nicht aufgetaucht?« rief ich.
    »Aufgetaucht?« wiederholte sie verwundert. »Natürlich nicht! Du hast den Zug doch erreicht, nicht wahr?«
    »Was zum Teufel ist los?« fragte ich müde. »Magnus war nicht in St. Austeil, ich fand nur seinen Koffer. Er hat durch den Bahnhofsaufseher ausrichten lassen, er werde in Par aussteigen und zu Fuß herkommen. Frag mich nicht, warum. Eine von seinen verdammten Schnapsideen. Aber inzwischen müßte er doch hier sein!«
    Ich ging ins Musikzimmer und

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