Ein Universum aus Nichts
erschaffen könne.
Ich habe das Thema mit den unterschiedlichsten Personen diskutiert, von denen einige meinten, wenn das »Potenzial« vorhanden sei, etwas hervorzubringen, so handle es sich dabei nicht um einen wahren Zustand des Nichts. Und dass es Naturgesetze gebe, die ein solches Potenzial ermöglichen, führe uns ganz sicher aus dem wahren Reich des Nichts hinaus. Wenn ich dann aber vorbringe, auch die Naturgesetze selbst seien möglicherweise spontan entstanden (was ich noch ausführen werde), so ist auch das nicht gut genug. Denn jedes System, in dem die Gesetze entstanden sein mögen, sei nicht identisch mit dem eigentlichen Nichts.
Schildkröten bis ganz nach unten? Das glaube ich nicht. Doch diese Schildkröten sprechen viele an, weil die Naturwissenschaft das Spielfeld auf eine Art wechselt, die den Menschen Unbehagen bereitet. Selbstverständlich ist das einer der Gründe für Wissenschaft – in früheren, sokratischen Zeiten mag man es als »Naturphilosophie« bezeichnet haben. Fehlendes Behagen heißt, wir stehen auf der Schwelle zu neuen Einsichten. Es ist sicherlich nur Ausdruck intellektueller Trägheit, wenn man »Gott« als eine Möglichkeit heranzieht, schwierige Fragen nach dem »Wie« zu vermeiden. Denn gäbe es kein Potenzial für eine Schöpfung, hätte Gott schließlich gar nichts erschaffen können. Es liefe auf semantischen Hokuspokus hinaus, wenn jemand zu behaupten versuchte, die Annahme einer potenziell unendlichen Regression sei unnötig, weil Gott außerhalb der Natur existiere und deshalb das »Potenzial« für die Existenz selbst kein Teil des Nichts sei, aus dem die Existenz hervorging.
Tatsächlich möchte ich hier zeigen, dass die Naturwissenschaft in der Tat das Spielfeld gewechselt hat . Damit wurden diese abstrakten und nutzlosen Debatten über die Natur des Nichts ersetzt durch zweckdienliche, praktische Bemühungen, mit denen beschrieben wird, wie unser Universum seinen Anfang genommen haben könnte. Darüber hinaus möchte ich erklären, was das möglicherweise für unsere Gegenwart und Zukunft bedeutet.
Darin spiegelt sich eine sehr wichtige Tatsache. Wenn es zu verstehen gilt, wie unser Universum sich entwickelt, sind Religion und Theologie bestenfalls irrelevant. Oft vernebeln sie die Dinge, indem sie sich beispielsweise auf Fragen des Nichts konzentrieren, ohne irgendeine auf empirischen Belegen beruhende Definition des Begriffs zu liefern. Auch wenn wir den Ursprung unseres Universums noch nicht vollständig verstehen, gibt es keinen Grund zu der Annahme, die Dinge würden sich in dieser Hinsicht grundlegend ändern. Zudem rechne ich damit, dass das auch für unser Verständnis von Gebieten gelten wird, welche die Religion derzeit als ihr ureigenes Territorium betrachtet, etwa die menschliche Moral.
Die Wissenschaft hat unser Verständnis der Natur deshalb vorangebracht, weil das wissenschaftliche Ethos auf drei entscheidenden Grundsätzen beruht: (1) Man folge den Hinweisen, wohin sie auch führen. (2) Verfügt man über eine Theorie, muss man bereit sein, sie mit gleichem Nachdruck als falsch zu beweisen, wie man sich bemüht, ihre Richtigkeit zu belegen. (3) Entscheidend für die Wahrheit ist letztlich das Experiment, nicht die Genugtuung, die man aus seinen Überzeugungen a priori ableitet oder auch aus der Schönheit oder Eleganz, die man seinen theoretischen Modellen zuschreibt.
Die experimentellen Ergebnisse, die ich hier schildern möchte, kommen nicht nur zur rechten Zeit, sondern auch unerwartet. Der Wandteppich, den die Naturwissenschaft webt, wenn sie die Evolution unseres Universums darstellt, ist weit farbiger und faszinierender als alle Bilder aus Offenbarungen oder den phantasievollen Geschichten, die Menschen ausgeheckt haben. Die Natur hält Überraschungen bereit, die bei Weitem über das hinausgehen, was die menschliche Vorstellungskraft hervorbringen kann.
Im Verlauf der letzten zwei Jahrzehnte hat eine spannende Reihe von Entwicklungen in Kosmologie, Teilchen- und Gravitationstheorie dazu geführt, dass wir das Universum auf völlig neue Weise betrachten. Daraus folgen aufregende und tief reichende Implikationen für unser Verständnis seiner Ursprünge wie seiner Zukunft. Demnach könnte es als Thema vielleicht nichts Interessanteres geben als Nichts – man möge mir das Wortspiel verzeihen.
Mit diesem Buch verfolge ich nicht so sehr die Absicht, Mythen zu zerpflücken oder Glaubensinhalte anzugreifen, sondern es drückt den Wunsch
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