Ein Universum aus Nichts
aus, ganz abgesetzt oder weiter an den Rand gedrängt zu werden, wann immer das Rätsel durch weitere Arbeiten erklärt oder aus der Welt geschafft wird.
In diesem Sinn steht das Argument »Etwas aus Nichts« für den Versuch, sich allein auf den ursprünglichen Akt der Schöpfung zu konzentrieren; es fragt, ob diese spezifische Frage jemals logisch vollständig und absolut zufriedenstellend einer wissenschaftlichen Erklärung zugänglich ist.
Angesichts unseres aktuellen Naturverständnisses kann diese Frage des »Etwas aus Nichts«, wie sich zeigt, in drei verschiedenen Bedeutungen gestellt werden. Auf jede einzelne Version kann man kurz antworten: »Ja, das ist ziemlich plausibel.« In der Folge werde ich alle drei ausführlicher erörtern; dazu werde ich zu erklären versuchen, warum oder besser wie – den Grund dafür habe ich eben genannt – das abläuft.
Die Metapher von Ockhams Rasiermesser besagt, dass wir, wenn ein bestimmtes Ereignis physikalisch plausibel ist, für seine Existenz keine ausgefalleneren Behauptungen mehr suchen müssen. Die Forderung nach einer allmächtigen Gottheit, die irgendwie außerhalb unseres Universums oder Multiversums existiert und zugleich alles steuert, was in seinem Inneren geschieht, ist ganz sicher eine solche Behauptung. Deshalb sollte auf sie nicht zuerst, sondern zuletzt zurückgegriffen werden.
Wie ich in der Vorbemerkung bereits vorgebracht habe, ist die bloße Definition von »Nichtsein« als »nicht existierend« kein hinreichender Grund, der Physik und allgemeiner der Naturwissenschaft zu unterstellen, sie seien kein angemessener Ansprechpartner für diese Frage. Dem möchte ich noch ein weiteres, spezifischeres Argument hinzufügen. Nehmen wir ein Paar aus Positron und Elektron, das spontan aus dem leeren Raum in der Nähe eines Atomkerns auftaucht und die Eigenschaften des Atoms für die kurze Zeit seiner Existenz beeinflusst. In welchem Sinn gab es das Elektron oder Positron zuvor? Nach jeder vernünftigen Definition existierten sie zuvor sicherlich nicht. Gewiss war das Potenzial für ihre Existenz vorhanden, doch damit ist kein Sein definiert – schließlich existiert auch kein potenzieller Mensch, weil ich in meinen Hoden Sperma in die Nähe einer Frau bringe, die ihren Eisprung hat, und wir uns vielleicht paaren könnten. Die beste Antwort auf die Frage, wie es wohl wäre, tot zu sein (also nicht zu sein), ergibt sich tatsächlich aus der Vorstellung, wie es sich wohl angefühlt haben mag, ehe man gezeugt wurde. Wäre potenzielle Existenz dasselbe wie Existenz, dann wäre Masturbation heutzutage – dessen bin ich mir sicher – zumindest in den USA ein ebenso heftig umstrittenes juristisches Thema wie die Abtreibung.
Das von mir geleitete Origins Project an der Arizona State University veranstaltete kürzlich einen Workshop zu den Ursprüngen des Lebens, und es bleibt mir nichts anderes übrig, als die derzeitige kosmologische Debatte in diesem Kontext zu sehen. Wie das Leben auf der Erde entstanden ist, verstehen wir noch nicht vollständig. Wir kennen jedoch nicht nur plausible chemische Mechanismen, mit denen das vorstellbar sein könnte, sondern wir kommen täglich näher an spezielle Wege heran, auf denen es Biomolekülen einschließlich der RNA möglich gewesen sein könnte, sich auf natürliche Weise zu bilden. Zudem liefert die auf natürlicher Selektion beruhende Evolutionslehre Darwins ein überzeugend präzises Modell dafür, wie auf diesem Planeten komplexes Leben entstehen konnte, nachdem irgendein spezifischer chemischer Vorgang die ersten sich zuverlässig selbst reproduzierenden Zellen hervorgebracht hatte – ausgestattet mit einem Stoffwechsel, der Energie aus der Umgebung entnehmen konnte. 42
Darwin verwarf – wenn auch widerstrebend – die Notwendigkeit eines göttlichen Eingreifens in die Evolution der modernen, in allen Winkeln des Planeten vor Leben wimmelnden Welt, hielt dabei aber die Möglichkeit offen, dass Gott den ersten Formen Leben eingehaucht haben könnte. Ähnlich macht es unser aktuelles Verständnis des Universums, seiner Vergangenheit und seiner Zukunft plausibler, dass »etwas« aus Nichts hervorgehen kann, ohne dass dazu irgendeine göttliche Lenkung notwendig ist. Weil die Ausarbeitung der Details mit Schwierigkeiten bei der Beobachtung und der damit zusammenhängenden Theorie verbunden ist, gehe ich davon aus, dass wir in dieser Hinsicht niemals mehr erreichen werden als Plausibilität. Doch in meinen Augen
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