Ein Universum aus Nichts
Angelegenheiten, welche die Naturgesetze umgehen. Ein Gott, der die Naturgesetze erschaffen kann, ist vermutlich auch imstande, sie nach Belieben zu umgehen. Doch warum sie dann vor Tausenden von Jahren – vor der Erfindung moderner Kommunikationsmittel, mit denen man alles hätte aufzeichnen können – so freizügig umgangen worden sind und nicht heute, darf man sich nach wie vor fragen.
Sogar in einem Universum ohne Wunder kann man angesichts einer zutiefst einfachen zugrunde liegenden Ordnung in jedem Fall zu zwei verschiedenen Schlüssen kommen. Der eine, den Newton selbst zog und den zuvor Galilei und im Lauf der Jahre eine Menge anderer Wissenschaftler gezogen haben, lief darauf hinaus, dass eine solche Ordnung von einer göttlichen Intelligenz geschaffen wurde, die nicht allein für das Universum, sondern auch für unsere eigene Existenz verantwortlich ist. Zudem hat sie uns Menschen nach ihrem Ebenbild geschaffen, was für andere komplexe und schöne Lebewesen offenbar nicht galt. Der andere Schluss besagt, dass die Gesetze an sich alles sind, was existiert. Diese Gesetze selbst erfordern, dass unser Universum zu existieren begann, sich entwickelte und einer Evolution unterworfen ist – und wir sind ein unwiderrufliches Nebenprodukt dieser Gesetze. Diese Gesetze mögen ewig sein oder ebenfalls erst zu existieren begonnen haben – auch das wieder aufgrund eines noch unbekannten, aber möglicherweise rein physikalischen Vorgangs.
Philosophen, Theologen und gelegentlich Naturwissenschaftler diskutieren diese Möglichkeiten andauernd. Wir wissen nicht sicher, welche von ihnen unser Universum tatsächlich beschreibt, und vielleicht werden wir das auch nie erfahren. Wie ich eingangs betont habe, geht es aber darum, dass diese Frage letztlich nicht aufgrund von Hoffnung, Wünschen, Offenbarung oder reinem Denken beantwortet werden wird. Die Antwort wird, wenn überhaupt, aus einer Erkundung der Natur hervorgehen. Ob Traum oder Albtraum, wie Jacob Bronowski im Eröffnungszitat dieses Buches gesagt hat – und der Traum des einen kann in diesem Fall leicht der Albtraum eines anderen sein –, wir müssen entsprechend unserer Erfahrung leben, so wie sie ist, und das mit offenen Augen. Das Universum ist, wie es ist, ob uns das gefällt oder nicht.
Und hier ist es meiner Ansicht nach äußerst bedeutsam , dass ein Universum aus Nichts – in einem Sinn, den zu erörtern ich mich bemühen werde –, das auf natürliche und sogar unvermeidliche Weise entsteht, zunehmend besser mit allem übereinstimmt, was wir über die Welt erfahren haben. Diese Erfahrung entstammt nicht philosophischen oder theologischen Überlegungen über Moral oder anderen Spekulationen über das Wesen des Menschen und seine Bedingungen. Sie beruht vielmehr auf den bemerkenswerten und spannenden Entwicklungen in empirischer Kosmologie und Teilchenphysik, die ich geschildert habe.
Ich möchte also auf die Frage zurückkommen, die ich am Anfang gestellt habe: »Warum gibt es statt nichts überhaupt etwas?« Mittlerweile sind wir vermutlich besser dafür gerüstet, dieser Frage nachzugehen. Schließlich haben wir uns das moderne wissenschaftliche Bild des Universums, seine Geschichte und seine mögliche Zukunft ebenso angesehen wie nachvollziehbare Beschreibungen dessen, was »Nichts« eigentlich umfassen könnte. Wie eingangs ebenfalls erwähnt, ist auch diese Frage von der Wissenschaft aufgenommen worden – wie letztlich alle philosophischen Fragen dieser Art. Die Bedeutung der dabei verwendeten Begriffe, die keineswegs einen Rahmen bereitstellen, der uns die Forderung nach einem Schöpfer aufzwingen würde, hat sich so verändert, dass die Frage viel von ihrer ursprünglichen Bedeutung verloren hat. Das wiederum ist nicht ungewöhnlich, wenn empirisches Wissen neues Licht auf ansonsten finstere Ecken unserer Phantasie wirft.
Gleichzeitig müssen wir in der Naturwissenschaft besonders vorsichtig sein, wenn es um Fragen nach dem Warum geht. Wenn wir »warum« fragen, meinen wir gewöhnlich »wie«. Können wir Letzteres beantworten, reicht das in der Regel für unsere Zwecke aus. Beispielsweise könnten wir fragen, warum die Erde ungefähr 150 Millionen Kilometer von der Sonne entfernt ist, obwohl wir wahrscheinlich wissen wollen, wie es kommt, dass die Erde 150 Millionen Kilometer von der Sonne entfernt ist. Wir interessieren uns also für die physikalischen Vorgänge, die die Erde in ihre gegenwärtige Position gebracht haben. »Warum«
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