Ein Universum aus Nichts
Quantenmechanik zulassen, erkennen wir, dass diese Erkenntnis des gesunden Menschenverstands nicht mehr gilt. Darin besteht die Schönheit der Wissenschaft, und sie sollte nicht als Gefahr erlebt werden. Die Wissenschaft zwingt uns lediglich, das zu überdenken, was im Hinblick auf das Universum vernünftig ist, und nicht umgekehrt.
Um es noch einmal zusammenzufassen: Die Beobachtung, nach der das Universum flach ist und die lokale Newton’sche Gravitationsenergie heute letztlich bei null liegt, ist ein starker Hinweis darauf, dass unser Universum durch einen Vorgang wie etwa eine Inflation entstanden ist. Also durch einen Prozess, in dem die Energie des leeren Raums (Nichts) in die Energie von etwas verwandelt wird – während einer Zeit, in der das Universum immer näher an den Punkt gebracht wird, an dem es auf allen beobachtbaren Skalen im Wesentlichen exakt flach oder eben ist.
Während die Inflation vorführt, wie leerer, mit Energie versehener Raum in der Tat zusammen mit einem unglaublich großen und flachen Universum alles hervorbringen kann, was wir sehen, wäre es unredlich vorzuschlagen, dass der mit Energie versehene leere Raum, der die Inflation antreibt, tatsächlich Nichts ist. In diesem Modell muss man davon ausgehen, dass der Raum existiert und in seinem Inneren Energie speichern kann; mithilfe der physikalischen Gesetze wie etwa der Allgemeinen Relativität berechnen wir dann die Konsequenzen. Würden wir an dieser Stelle aufhören, wäre die Behauptung gerechtfertigt, die moderne Wissenschaft sei weit davon entfernt, sich wirklich der Frage anzunehmen, wie man aus nichts etwas bekommt. Doch das ist nur der erste Schritt. Wenn wir unser Verständnis erweitern, werden wir als Nächstes sehen, dass die Inflation einfach nur die Spitze eines kosmischen Eisbergs des Nichts ausmachen kann.
41 Umfragen lassen darauf schließen, dass in den USA weit mehr Menschen an Engel glauben als an die Evolution.
42 Das ist die beste Definition für Leben, die ich im Augenblick bieten kann.
43 Falls das erste vorher existierende Universum oder Metaversum groß war, könnten sie sogar unendlich groß gewesen sein.
10. Kapitel
Das Nichts ist instabil
Fiat iustitia, ruat caelum.
(Der Gerechtigkeit soll Genüge getan werden,
und wenn darüber der Himmel einstürzt.)
Altes römisches Sprichwort
Dass es im leeren Raum Energie gibt – diese Entdeckung hat unser kosmologisches Universum erschüttert und bildet das Fundament der Inflation –, bestärkt nur eine Einsicht in die Quantenwelt, die im Zusammenhang mit hier bereits geschilderten Laborexperimenten schon gut etabliert war. Der leere Raum ist kompliziert. Er zeigt sich als brodelndes Gebräu virtueller Teilchen, die in so kurzer Zeit entstehen und wieder vergehen, dass wir sie nicht direkt beobachten können.
In virtuellen Teilchen manifestiert sich eine Grundeigenschaft von Quantensystemen. Im Zentrum der Quantenmechanik steht eine Regel, von der sich gelegentlich auch Politiker und Vorstandsvorsitzende leiten lassen – solange keiner zusieht, ist alles erlaubt. Systeme bewegen sich ständig zwischen allen möglichen Zuständen (wenn auch jeweils nur für kurze Momente), was auch jene einschließt, die nicht erlaubt wären, wenn man das System tatsächlich messen würde. Diese »Quantenfluktuationen« implizieren ein wesentliches Merkmal der Quantenwelt: Das Nichts ist instabil. Das Nichts bringt ständig etwas hervor, wenn auch nur für einen Augenblick.
Doch genau da liegt das Problem. Die Erhaltung der Energie sagt uns, dass Quantensysteme sich nur eine gewisse Zeit lang danebenbenehmen können. Es ist ähnlich wie bei betrügerischen Derivatehändlern: Erfordert der Zustand, in den ein System fluktuiert, dass eine gewisse Energie aus dem Vakuum eingeschmuggelt wird, dann muss das System diese Energie in so kurzer Zeit erstatten, dass keiner, der das System misst, etwas davon mitbekommen kann.
Demzufolge meint man vielleicht, mit Recht sagen zu dürfen, dass dieses von Quantenfluktuationen erzeugte »Etwas« ein ephemeres Phänomen sei – nicht messbar, anders als etwa Sie oder ich oder die Erde, auf der wir leben. Doch auch dieses flüchtige Geschöpf ist den Bedingungen unterworfen, die mit unseren Messungen verknüpft sind. Nehmen wir beispielsweise das von einem geladenen Objekt ausgehende elektrische Feld. Es ist eindeutig real. Man kann die Kraft der statischen Elektrizität im Haar spüren oder beobachten, wie ein Ballon an der Wand
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