Ein unversoehnliches Herz
ich die letzte Patrone behalten?«
Der Junge zuckte mit den Schultern, holte sie aus der Waffe und gab sie ihm.
»Danke«, sagte Sören Christer und öffnete das Tor.
Er war schon sehr lange nicht mehr so glücklich gewesen. Er spürte die Patrone warm in seiner Hand liegen und steckte sie in die Jackentasche. Als er ein Stück in den Garten gekommen war, sah er seinen Vater auf der Eingangstreppe sitzen und rauchen.
»Hallo«, sagte er.
»Hallo …«
»Wer war das?«
»Zwei Finnen«, antwortete Sören Christer.
Andreas nickte und stand auf.
»Komm«, sagte er. »Komm und setz dich ein bisschen zu mir.«
Sören Christer folgte ihm. Sie setzten sich auf die Hollywoodschaukel und wippten zaghaft vor und zurück.
»Waren die Jungen nett?«
»Die Finnen?«
»Ja.«
»Geht so«, sagte Sören Christer und zuckte mit den Schultern.
Er sah, dass sein Vater etwas sagen wollte. Andreas legte einen Arm um seine Schultern. Im ersten Moment fand er das unangenehm, aber nach einer Weile strahlte die Hand Geborgenheit aus.
»Ich habe mit Poul über deine Zukunft gesprochen.«
Sören Christer nickte wortlos.
»Poul hat sich erkundigt, was das Beste für dich sein könnte. Wir haben Anstalten in Norwegen, England und Deutschland in Betracht gezogen. In Deutschland gibt es eine Klinik, die einen hervorragenden Ruf genießt. Außerdem ist sie dank der schwachen Reichsmark nicht so teuer wie die englische.«
Andreas verstummte und stieß sie mit dem Fuß ab, sodass sie wieder sachte schaukelten.
»Was hältst du von Deutschland?«
»Das hört sich gut an.«
Sören Christer fand es unbeschreiblich schön, den Arm seines Vaters auf der Schulter zu spüren. Er legte den Kopf schief, sodass seine Wange auf der Hand seines Vaters ruhte. Sie ist kalt, dachte er zunächst. Aber es war ein unheimlich schönes Gefühl, vor und zurück zu schaukeln und die Hand an seiner Wange zu spüren. Gleichzeitig umschloss seine eigene Hand die Patrone, die warm und angenehm in seiner Tasche lag.
Lieber Bruder …
Du isst gewohnt langsam, kaust gründlich, ehe du schluckst. Menschen, die beim Essen hetzen, hast du nie verstanden.
Maschinen nennst du sie.
Es geht nicht um Zeit, denn selbst wenn die Leute eine halbe Ewigkeit zum Essen haben, beeilen sie sich und sind gestresst. Das ist dir unverständlich. Du findest, es müsste ihnen zumindest bewusst sein, dass dies nie und nimmer gesund sein kann.
Nicht, dass du dich als Feinschmecker oder Genussmensch sehen würdest, als jemand, der nur das Beste verlangt. Du bevorzugst ganz normale, einfache Hausmannskost, nichts Außergewöhnliches, auch wenn du das Angebot eines Tischs voller französischer Delikatessen niemals ablehnen würdest.
Signhild hat ein ausgezeichnetes Beefsteak mit gebratenen Zwiebeln und Kartoffeln zubereitet, gut gepfeffert und mit einer herrlichen Bratensauce. Du trinkst Tafelwasser dazu und spülst das Essen nach jedem achten Kauen hinab. Nicht, dass du zählen würdest; der Vorgang ist zu einem natürlichen Teil deiner selbst geworden. Wenn du allein bist, isst du üblicherweise in der Küche. Manchmal ziehst du vor, auf deinem Zimmer zu essen, aber nur, wenn du ganz in deine Arbeit vertieft bist und eine zu abrupte Unterbrechung verhindern möchtest. Aber du isst dann genauso bedächtig wie immer, es geht dir nur darum, den Faden bei der Arbeit nicht zu verlieren.
Wenn du Gäste hast, kommt natürlich nur das Esszimmer in Frage. Aber dort allein zu essen, ist trostlos, vor allem jetzt, wo Gunhild nur ein paar Zimmer entfernt krank im Bett liegt. Plötzlich wird dir bewusst, dass du dich unmerklich daran gewöhnt hast. In letzter Zeit ist sie durchgehend krank gewesen, nicht wie früher, als es ihr mal besser und mal schlechter ging.
Außerhalb des Hauses herrscht kompakte Dunkelheit, da draußen sieht man die Hand vor Augen nicht. Der Wind hat aufgefrischt, und du hörst, wie er die Kiefern förmlich ansaugt. Außerdem macht sich dein Schlafmangel allmählich bemerkbar, die wenigen Stunden, die du in der letzten Nacht Schlaf gefunden hast, waren zudem nicht besonders viel wert, da du dich die meiste Zeit im Bett herumgewälzt hast. Die Begegnung mit Madeleine nagt noch an dir, und sobald du an sie zurückdenkst, flammt deine Wut wieder auf. Und dann die Sache mit Amelie und ihrer Weigerung, Gunhild die erschütternde Nachricht von meinem Tod zu ersparen.
Warum wollen alle gegen dich arbeiten?
Viele Male hast du diese Frage einfach in den Raum gestellt. Als
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