Ein unversoehnliches Herz
arbeitete, mit denen er im Rückstand war.
Sören Christer hingegen fuhr fort, auf eigene Faust das Universitätsgelände zu erkunden. Vor dem Universitätsgarten begegnete er zwei finnischen Brüdern, deren Vater Philosophie lehrte. Sie kamen ihm ein bisschen langweilig vor, aber er war trotzdem froh, jemanden zum Reden zu haben. Der Ältere der beiden schien ein bisschen dümmlich zu sein, er ließ sich vom Jüngeren herumkommandieren.
Sie zogen gemeinsam los, um mit Steinen auf Konservenbüchsen zu werfen, die sie auf dem Feld hinter der Theologischen Fakultät aufstellten. Die meiste Zeit standen sie herum und warfen aufs Geratewohl. Wenn einer der Dozenten das Fenster öffnete und sie anbrüllte, trotteten sie davon.
Als sie sich am dritten Tag trafen, meinte der jüngere Bruder, er habe eine Überraschung dabei. Er warf einen Blick über die Schulter, ehe er zeigte, was er unter seinem Mantel verborgen hielt. Ein Mausergewehr, das er aus dem Haus geschmuggelt hatte, ohne dass es jemand gemerkt hatte.
»Es ist ein Repetiergewehr.«
Sören Christer nickte, obwohl er nicht wusste, was ein Repetiergewehr war. Er bat darum, es in die Hand nehmen zu dürfen, und der jüngere Bruder gab es ihm.
»Wenn man hier zieht«, erklärte er und ruckte am Griff, »kann man mehrere Schüsse hintereinander abfeuern.«
Sören Christer nickte und zog leicht an dem Griff, der sich jedoch verhakt zu haben schien. Er versuchte es nicht weiter, sondern hob das Gewehr und zielt auf eine der Konservendosen.
»Du darfst nicht schießen!«
»Hältst du mich für blöd oder was?«
Er senkte das Gewehr und wog es in der Hand. Es war nicht so schwer, wie er geglaubt hatte. Der jüngere Bruder streckte die Hand aus und wollte das Gewehr zurückhaben. Widerwillig gab Sören Christer es ab.
»Wir können ja woanders hingehen und da schießen«, sagte er.
Die Brüder zögerten anfangs, nickten dann jedoch nach einer kurzen Beratung auf Finnisch. Gemeinsam gingen sie in den Wald. Mehrmals blieben sie stehen, um zu schauen, ob sie weit genug gegangen waren, um nicht gehört zu werden. Aber aus Angst, erwischt zu werden, liefen sie immer tiefer in den Wald hinein. Am Ende blieb Sören Christer stehen und wandte sich zu den Brüdern um.
»Hier ist es gut.«
Die beiden nickten, aber es war unübersehbar, dass dem älteren Bruder Zweifel gekommen waren. Der jüngere hielt das Gewehr weiter fest in der Hand.
»Wie viele Patronen hast du?«, erkundigte sich Sören Christer.
»Drei«, antwortete der jüngere Bruder.
»Also für jeden eine.«
Der Junge nickte und kaute nervös auf seiner Unterlippe herum.
»Wie heißt du?«
»Johan«, antwortete der jüngere Bruder.
»Und du?«
»Peter.«
»Ich heiße Sören Christer.«
»Wissen wir«, sagte der jüngere Bruder.
Sören Christer zuckte mit den Schultern und blickte auf. Die Sonne verschwand gerade hinter einigen tiefhängenden Wolken.
»Ich finde, der Älteste sollte als Erster schießen dürfen«, sagte er dann.
»Aber es ist mein Gewehr«, widersprach der Jüngere.
»Ist es nicht«, sagte sein Bruder. »Es gehört Vater.«
»Ja, aber ich habe es genommen.«
Sie schwiegen eine Weile, hörten ein paar zeternde Elstern über ihre Köpfe hinwegfliegen und sahen nach oben. Schließlich sagte Sören Christer:
»Wir haben doch für jeden eine Patrone. Dann können wir genauso gut den Ältesten anfangen lassen, oder nicht? Es darf doch sowieso jeder einmal schießen.«
Die Brüder sahen sich an, ehe sie nickten.
»Und wie alt seid ihr?«
»Ich bin vierzehn, und Peter ist sechzehn.«
»Ich bin siebzehn, also fange ich an«, erklärte Sören Christer und nahm dem jüngeren Bruder das Gewehr ab, der es widerwillig losließ.
Sören Christer entfernte sich ein Stück von den anderen. Erneut wog er das Gewehr in der Hand, schaute sich um und überlegte, worauf er schießen sollte.
»Wie steckt man die Patrone rein?«
»Die sind schon drin«, antwortete der jüngere Bruder.
Sören Christer hob das Gewehr und kniff beim Anlegen ein Auge zu. Er fuhr herum und zielte auf die Baumwipfel. Er tat ein paarmal, als würde er schießen, und machte Schussgeräusche mit dem Mund. Er fühlte sich auf einmal so mächtig. Jetzt würde es niemand mehr wagen, ihn anzugreifen. Wenn jemand auch nur den Versuch machte, würde er ihn erschießen.
Ihm fielen die Elstern ins Auge, die über ihren Köpfen vorüberzogen. Er hob das Gewehr und bekam sie ins Visier, aber es waren so viele und sie
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