Ein verfuehrerischer Tanz
Ihre Augen waren rot geädert vom Weinen.
»Oder du kannst gehen. Du gehst zu ihm und verlässt mich. So geht es nämlich nicht weiter.«
In seinem Kopf schrillten die Alarmglocken. Bist du von allen guten Geistern verlassen? Nimm es zurück, bevor sie Ernst macht. Rein rational war ihm klar, dass er gerade eine impulsive und vollkommen abwegige Forderung gestellt hatte und sie nicht bedrängen durfte. Sie hatte in dieser Nacht eine Menge durchgemacht. Damit warf er ihr Leben, ihre gemeinsame Zukunft in die Waagschale. Sein Verstand war jedoch wie leergefegt. Er ließ sein Herz sprechen, das ein einziger Scherbenhaufen war. Er brauchte Amelia wie die Luft zum Atmen – und er wollte sie ganz für sich haben. Wenn sie dazu nicht bereit war, machte er ihr das besser gleich deutlich und lernte, mit dem Schmerz zu leben.
In ihren Augen las er die Antwort, lange bevor ihre Lippen die Worte formten.
»Es tut mir leid. Ich muss heute Morgen zu ihm.«
Die schrillen Alarmglocken in seinem Kopf verebbten zu einem leise melancholischen Trauerlied: Du hast es nicht anders verdient, du Trottel. Jetzt verlässt sie dich. Noch heute Morgen.
Es war fast Morgen, nicht wahr? Weiches Licht fiel auf ihr liebevolles, vertrautes Gesicht. Sie sah so bezaubernd aus bei Sonnenaufgang; wie an jenem ersten Morgen in der Kutsche. Sofort hatte er beschlossen, sie zu heiraten, sie zu besitzen, sie zu seiner Frau zu machen. Und irgendwann hatte er festgestellt, dass er sie am meisten liebte, wenn sie sie selbst war. Er durfte sie nicht zum Bleiben nötigen. Er wollte, dass sie aus freiem Willen blieb.
Die Sonne erhob sich strahlend über den Felsen, doch in Spencers Seele herrschte finstere Nacht. Er starrte auf das Blut und den Schmutz unter seinen Nägeln und die milchweißen Halbmonde auf Amelias Fingern.
Sie sagte:
»Du musst Claudia nach Braxton Hall zurückbringen. Damit sie von ihrem Arzt untersucht wird. Und sie braucht Trost und Hilfe. Das Mädchen braucht dich, Spencer.«
»Und …« Verdammt, sag es ihr endlich. »Und ich brauche dich. Ich habe keine Ahnung, wie man mit jungen Mädchen umgeht, die schwanger sind.«
Ein zynisches Lächeln umspielte ihre Mundwinkel.
»Du bist ein hochintelligenter Mann. Das schaffst du schon.« Sie rollte die Dokumente zusammen. Es war der unsignierte Kaufvertrag für Briarbank. »Das hier nehme ich mit.«
Ein wütendes Funkeln trat in seine Augen.
»Ich verstehe.«
Ja, im sanften Licht der Morgendämmerung wurde es Spencer schmerzhaft klar. Jedes Mal, wenn ihre Gefühle für ihn mit der Loyalität zu ihrer Familie kollidierten … machten die d’Orsays das Rennen. Sie stellte die Befindlichkeiten ihres Bruders über seine. Sie wollte nicht, dass das Cottage ihrer Familie ihr und ihm gehörte. Und weil er sie nicht mit anderen teilen mochte, hatte Spencer sie vertrieben. Er hatte sie vor die Wahl gestellt: Er oder ihre Familie, und er musste ihre Entscheidung akzeptieren. Einerlei, wie weh es tat.
Und es tat sehr weh. Als er sein Gewicht von einem Knie auf das andere verlagerte, verspürte er in seinen Rippen einen scharfen Schmerz.
Sie lenkte den Blick auf ihre Hände und fuhr fort:
»Da ist noch etwas. Ich vermute, dass ich ebenfalls schwanger bin.«
»Oh Gott. Oh Amelia.« Ihr Bekenntnis erfüllte ihn mit unbändiger Freude und gleichzeitig mit tiefem Leid. Der Gedanke an ihren gerundeten Babybauch, daran, ihr gemeinsames Kind in seinen Armen zu wiegen, war wie ein heller Stern, der am Firmament verglühte, und versetzte seinem Herzen einen Stich. Er sehnte sich danach, eine Familie mit ihr zu gründen, und diese Nachricht hätte ihn glücklicher machen können. Mit einem Mal spukten ihm seine arroganten Worte quälend im Kopf herum: Ich schenke dir Sicherheit, du schenkst mir einen Erben. Sie wollte ihn verlassen und trug unter ihrem Herzen den perfekten Vorwand, niemals zu ihm zurückzukehren.
Spencer schickte ein Stoßgebet zum Himmel, dass es ein Mädchen wurde.
»Und wie fühlst du dich?«, fragte er mit belegter Stimme. »Kann ich irgendwas …?«
»Ich fühle mich gut«, versicherte sie und sah lächelnd auf ihren Bauch. »Sehr gut sogar. Die d’Orsay-Frauen sind fürs Kinderkriegen wie geschaffen, weißt du. Sie sind kräftig, haben ein breites Becken.«
Bevor er die Gelegenheit hatte, ihr ein charmanteres Kompliment zu machen, das ihrer wahren Schönheit würdig war, schweifte Amelias Blick ab.
»Ihr habt gar nicht zu Ende gespielt«, stellte sie fest.
Er folgte
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