Ein verwegener Gentleman
über ein Zehntel dieser Summe. Ich brauche so viel, um gegen Alice Penney zu wetten … sobald es mir gelungen ist, sie zu überzeugen, dass sie die größten Chancen hat, Pettifer zu bekommen.“
Ross lehnte sich zurück, hob sein Glas an die Lippen und sah Edwina über dessen Rand hinweg nachdenklich an. Er hatte eigentlich erwartet, dass eine füllige, einfache junge Frau, die ständig errötete, mit ihnen am Tisch sitzen würde. „Wo ist Ihre Enkelin heute Abend?“, fragte er beiläufig.
Edwina verschluckte sich und klopfte sich auf die Brust. Verdammt! Sie war zuversichtlich gewesen, dass er es vergessen hatte! Erst als sie eine Stunde vor seiner Ankunft über ihre Strategie nachgedacht hatte, war ihr klar geworden, dass sie wünschte, sie hätte die liebe Lizzie ihm gegenüber überhaupt nicht erwähnt. Die Sache war so gut gelaufen … Aber jetzt sah er … zu zynisch aus für ihren Geschmack. Und diesen Mann durfte man nicht unterschätzen …
„Oh, sie ist unterwegs, um gute Taten zu vollbringen“, brachte Edwina keuchend heraus. „Interessiert sich kaum für etwas anderes, wissen Sie. Verbringt ihre ganze Zeit mit Langweilern und Geistlichen. Sie würde Ihnen nicht gefallen“, winkte sie mit gerümpfter Nase ab. „Aber wechseln Sie nicht das Thema, Stratton. Sie schulden mir einen Gefallen. Ich habe Sie damals bei Almack’s ausgelöst, als Sie fünfzehnhundert verloren hatten und beinahe ins Fleet-Gefängnis gekommen wären.“
„In Ordnung … ich gebe nach“, lachte Ross. „Zum Teufel, was soll’s? Es ist ja nur Geld. Aber zehntausend Pfund und nur für zwei Wochen“, sagte er ernst. „Ich kann es mir nicht mehr leisten, so großzügig zu sein, wie ich es vielleicht einmal war. Ich habe einen Besitz zu restaurieren und Verpflichtungen denen gegenüber, die von mir abhängig sind. Sie sind nicht die Einzige, die ein altes Faktotum hat, das zufrieden bleiben soll, Edwina.“
„Nun, dann lassen Sie uns doch eine kleine Nebenwette abschließen. Dann können Sie einiges von Ihrem Gewinn bezahlen. Kommen Sie, Sie wissen doch, dass ich die Anleihe zurückzahlen werde“, überredete Edwina ihn. „Wir kennen uns schließlich seit fünfzehn Jahren. Ich habe Sie gleich gemocht, seit Sie das erste Mal in London und noch ein grüner Junge waren. Auch mit achtzehn konnten Sie mit Ihrem Charme schon alles erreichen.“
„Ich erinnere mich daran, wie gewogen Sie mir waren, Edwina“, sagte Ross lächelnd. „Deshalb werde ich Ihnen die Summe auch zur Verfügung stellen. Schicken Sie Ihren Diener morgen zu Jacey’s in die Lombard Street. Er kann dort einen Vertrag zur Unterschrift abholen.“
„Einen Vertrag?“, bellte Edwina. „Haben Sie kein Vertrauen zu einer alten Freundin?“
„Natürlich, Edwina“, sagte Ross glatt und blendete sie mit seinem legendären gewinnenden Lächeln. „Doch Sie würden es sicher hassen, wenn unsere Freundschaft scheitern würde, falls etwas schiefgeht. Eine schriftliche Abmachung ist auch zu Ihrem Vorteil. Ich könnte schließlich zur Vernunft kommen und versuchen, mich nicht an so ein verrückt großzügiges Versprechen zu halten.“
Elizabeth stellte ihre Teetasse ab und warf einen Blick auf die Uhr. Es war beinahe halb zehn, sie war müde und wäre gerne gegangen. Im Anschluss an ihre wöchentlichen Besuche in Tothill Fields kamen die Mitglieder des Freundeskreises, die die Besserungsanstalt für Frauen und Kinder besuchten, gewöhnlich bei Mrs. Martin zusammen, um leichte Erfrischungen zu sich zu nehmen und ernste Diskussionen zu führen. Normalerweise fesselten die lebhaften Gespräche Elizabeths Aufmerksamkeit, aber an diesem Abend hatte sie kaum ein Wort beigesteuert. Den ganzen Tag war ihr Viscount Stratton nicht aus dem Kopf gegangen. Ein Teil von ihr wollte sofort nach Hause eilen, um herauszufinden, wie er wohl aussah, und ein anderer Teil wollte so lange wie möglich bleiben, damit sie nicht zu früh heimkehrte.
Hugh schien ihre Unruhe aufgefallen zu sein, denn er beugte sich zu ihr. „Sind Sie bereit aufzubrechen, Elizabeth?“
Sie lächelte und nickte. Ihr Entschluss war gefallen. Sie wollte einen Blick auf diesen faszinierenden Schurken werfen. Wenn sie vor zehn Uhr in Marylebone eintraf, wäre er sicher noch bei ihrer Großmutter. Schließlich wusste sie aus Erfahrung, dass Edwinas Gästen bei einer Speisenfolge von üblicherweise mehr als zehn Gerichten ein längerer Aufenthalt nicht erspart blieb.
Vor wenigen Minuten hatten Elizabeth
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