Ein verwegener Gentleman
Pettifer …“, fügte Edwina beiläufig hinzu. „Vergessen Sie nicht, sich um meine Enkelin zu kümmern …“
Harry Pettifer neigte den Kopf.
Elizabeth rüttelte wieder an der Klinke, lugte durch das Schlüsselloch und hämmerte zornig mit den Fäusten gegen die Tür. Dann ließ sie wutschnaubend von ihrem Tun ab, wandte sich um und trat ans Fenster. Sie schloss die Augen in dem Versuch, sich zu beruhigen. Sie durfte es Edwina nicht verübeln. Auf ihre eigene närrische Art glaubte die Großmutter sicher, dass sie ihr zu einem erstrebenswerten Dasein verhelfen würde. Sicher hatte sie sich von diesem schurkischen Gentleman , wie Edwina ihn gerne schwärmerisch nannte, dazu verleiten lassen.
Die Hände in die Seiten gestemmt, blickte Elizabeth in den Garten hinaus. Um ihre Gelassenheit zurückzugewinnen, versenkte sie sich in den Anblick der üppig mit Dahlien und Astern bepflanzten Beete, die in der spätsommerlichen Mittagssonne in den verschiedensten Schattierungen von Rot, Gold, Rosa und Lila leuchteten.
Seit Ross Trelawney vor zwei Wochen mit ihr diniert hatte, schien es, als könne Edwina von nichts anderem mehr sprechen als von dem Viscount, seinen Zukunftsaussichten, seinen Heldentaten, seinen guten Verbindungen. Aber soviel sie wusste, hatte er seither nicht wieder vorgesprochen. Wenn er es getan hätte, hätte Edwina ihr sicher von dieser Ehre berichtet. Die Großmutter besaß sonst einen scharfen Verstand, aber nun schien es, als sei sie von diesem zweifelhaften Bekannten wie verhext.
Elizabeth lächelte säuerlich. Wie es schien, hatte sie mit ihrer Vermutung, dass der Viscount auf der Suche nach einer Gattin war, um sein persönliches Ansehen zu heben, recht gehabt. Denn ihrer Großmutter zufolge sollte sie schon bald einen Heiratsantrag von diesem Emporkömmling erhalten.
Offenbar hatte Edwina verlauten lassen, dass ihre Enkelin von aristokratischer Abstammung war und eine Mitgift zu erwarten hatte. Und weil sie so erpicht darauf war, Elizabeth vermählt zu sehen, hatte sie sich mit dieser geldgierigen Verschwörung einverstanden erklärt. Nun, die beiden würden bald dahinterkommen, dass sie sich nicht so einfach steuern ließ. Sie hatte nicht den Wunsch, eine Ehe einzugehen, aber falls sie dazu gezwungen wäre, würde sie lieber einen guten Freund zum Gatten nehmen als einen verrufenen Fremden. Und wenn das bedeutete, dass sie ihre Mitgift verlor, dann sollte es eben so sein. Besser, als die Schmach ertragen zu müssen, dass man ihr einen Gemahl gekauft hatte … und dann auch noch einen Wüstling mit leeren Taschen, der kein weiteres Interesse an ihr hatte, als sich an dem Geld ihrer Großmutter zu bereichern.
Ross stellte die Teetasse ab und lehnte sich zurück. „Ich hoffe, das ist ein Scherz, Edwina“, sagte er leise.
„Ein Scherz! Sie glauben, ich würde über so etwas Scherze machen? Mir gefällt es ebenso wenig wie Ihnen, wie die Dinge sich entwickelt haben. Ich kann den Mann hier nicht gegen seinen Willen festhalten. Er hat einen anderen Posten angenommen, und ich habe meine Wette verloren. Ich habe nichts unversucht gelassen, um Ihnen Ihr Geld wiederzubeschaffen, aber ich hatte noch nie so viel Pech am Spieltisch. Sieht mir gar nicht ähnlich … das wissen Sie doch, Stratton. Ich wette, Sie hätten auf meinen Sieg gesetzt. Ich bin ja auch nicht arm, aber ich bin derzeit einfach nicht flüssig. Ich habe etwas Handelsware auf einem Schiff, das in ein paar Monaten aus Indien hier ankommen wird. Sobald die Ware verkauft ist, werden Sie den Erlös erhalten. Es könnte sein, dass es etwas weniger als zehntausend ist …“ Sie brach ab und sah zur Seite. „Oh, Sie müssen einfach nur eine Weile warten, das ist alles.“
„Ich muss nichts dergleichen“, verbesserte Ross in einem Ton, der Edwina erschaudern ließ. „Ich will mein Geld. Laut unserem Vertrag war die Rückzahlung gestern fällig. Ich habe Arbeiter, Ziegelsteine, Bauholz und Schindeln nach Kent bestellt, und ich habe nicht die Absicht, einen dieser Aufträge zu widerrufen.“ Er beobachtete, wie Edwina ihre molligen Hände in ihrem Schoß rang. Er wusste, dass sie weitere Vermögenswerte besaß. Ebenso wie er … aber er sah nicht ein, dass er ihretwegen darauf zurückgreifen sollte.
Edwina war eine der reichsten Witwen in London. Und sie war sehr gerissen. Er hatte keine Ahnung, weshalb sie ihn belog. Er war sicher, dass sie nicht die Absicht hatte, ihn zu betrügen … aber sie wollte ihn offenbar hinhalten; um ihm
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