Ein Weihnachtsengel auf vier Pfoten
rief er ihm zu.
Der Fahrer zuckte mit den Schultern. »Ja, mit dem Getriebe ist was nicht in Ordnung oder mit der Hydraulikpumpe«, rief er zurück. »Ich lasse das nachher durchchecken.«
Er nickte und winkte dem Fahrer, wieder zu seinem LKW zurückzukehren. Ausgerechnet heute musste diese Frau ihm schon wieder auf den Geist gehen. Als ob er den Nerv für eine kaputte Armatur hätte. Wenn das so weiterging, konnte er gleich eine Telefonzentrale für sie einrichten.
Er winkte den Tieflader langsam um eine Ecke. Schon lange war er nicht mehr in dem alten Haus gewesen. Hoffentlich gab es dort nicht noch mehr marode Ecken. Er wollte am liebsten mit diesem ganzen Haus nichts mehr zu tun haben – und mit dieser lästigen Mieterin, deren Namen er schon wieder nicht mitbekommen hatte, schon gleich gar nicht.
Nachdem der Tieflader an seinem Bestimmungsort angekommen war und das Motorengeräusch verklang, zog er erneut sein Handy hervor und tippte eine Nummer ein.
»Onkel Richard? Ich bin’s. Wie? Ja, ich weiß, dass ich hier schlechten Empfang habe. Könntest du mir wohl noch einmal einen Gefallen tun?«
5. Kapitel
»Mama, guck mal, da ist Mario!«, rief Paula und zupfte Hannah am Ärmel ihres Hexenkostüms. »Da, der Pirat!«
Hannah ließ ihre Blicke über die versammelten Kinder und Eltern gleiten und entdeckte schließlich einen kleinen blonden Jungen mit Stirnbinde und Augenklappe.
»Na, dann geh mal zu ihm, kleine Hexe!« Sie lachte und sah ihrer Tochter zu, wie sie quer durch den Raum auf Mario zurannte. Dabei zupfte sie gedankenverloren an ihrem eigenen Kostüm herum. Dass sich die Eltern zu dieser Feier ebenfalls verkleiden sollten, fand sie ein wenig übertrieben, andererseits auch lustig, wenn sie sich so ansah, welchen Aufwand einige Mütter oder Väter dabei betrieben hatten.
»Man könnte meinen, wir wären auf einer Karnevalsveranstaltung, nicht wahr?«, sagte eine männliche Stimme hinter ihr.
Erschrocken drehte sie sich um und sah sich Leon Marbach, ebenfalls mit Stirnbinde und Augenklappe, gegenüber. Sie musterte ihn überrascht, denn sein Kostüm glich exakt dem seines Sohnes, und an seiner Hüfte baumelte ein Spielzeugsäbel.
»Das Werk meiner Tante.« Er lächelte. »Sie ist Schneiderin.« Er warf einen Blick auf seinen Sohn, der inzwischen mit Paula und einem weiteren Jungen durch den Raum rannte. »Die freche Hexe da muss Ihre Tochter sein. Sie sieht Ihnen sehr ähnlich.«
»Ja, vor allem in diesem Kostüm.« Hannah lächelte.
»Nein. Oder, ja, natürlich. Aber sie hat die gleichen Haare und das gleiche Gesicht.« Er hielt kurz inne. »Ein hübsches Gesicht.«
Verlegen wich sie seinem Blick aus und sah ebenfalls den Kindern zu. »Ich wette, das sagen Sie zu allen alleinerziehenden Müttern.«
»Nur, wenn es der Wahrheit entspricht.« Wieder lächelte er. »Abgesehen davon leben in dieser Stadt nicht allzu viele alleinerziehende Mütter mit hübschen Gesichtern.«
»Nicht?«
»Nein. Möchten Sie etwas trinken? Da drüben gibt es Teufelspunsch.«
»Was?«
»Teufelspunsch. Den müssen Sie probieren. Bin gleich wieder hier.« Schon war er auf dem Weg zu dem kleinen Buffet, auf dem die Erzieherinnen und einige der Mütter Berge von Leckereien und Getränken aufgebaut hatten.
»Ein äußerst attraktiver Pirat, was?«, sagte eine junge Frau neben Hannah und zwinkerte ihr verschwörerisch zu. »Ich sage Ihnen, wenn ich nicht glücklich verheiratet wäre ...« Sie verdrehte übertrieben die Augen und lachte dann herzlich. »Sie müssen Paulas Mutter sein, nicht wahr? Ich bin Renate Marbach, Vorsitzende des Elternbeirats. Meine Zwillinge sind in der gleichen Gruppe wie Ihre Tochter.«
»Noch eine Marbach!«, entfuhr es Hannah, und sie schlug erschrocken eine Hand vor den Mund, doch Renate schien das nicht zu kümmern. »Und nicht die Einzige in diesem Raum. Leon dort drüben und Anita heißen ebenfalls so.« Sie deutete auf eine der Erzieherinnen. »Aber wir sind nicht verwandt oder verschwägert. Dieser Nachname ist hier so was wie eine Seuche.« Sie grinste. »Oha, der Pirat kommt zurück. Kennen Sie ihn näher? Nicht? Na, ich wünsche Ihnen noch ein schönes Fest. Vielleicht möchten Sie ja, wenn Sie sich eingelebt haben, auch im Beirat mitmachen?«
»Vielleicht«, meinte Hannah unbestimmt, doch da war Renate bereits weitergezogen. Aus den Augenwinkeln sah sie, wie die Frau auf eine der anderen Mütter einredete und dabei in ihre Richtung blickte.
»In der
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