Ein wilder und einsamer Ort
mich behauptet.«
»Dein Selbstbehauptungsvermögen ist
meine geringste Sorge.«
»Was dann?«
»...nichts. Ich schätze, ich projiziere
einfach nur mein schwieriges Verhältnis zu Gage auf die Situation zwischen
euch, und deshalb ist mir dabei nicht ganz wohl.«
»Wohl ist mir im Umgang mit ihm auch
nie, aber ich komme schon damit klar.«
»Gut.« Er wechselte das Thema. »Wann
wirst du morgen hier sein?«
»Ich weiß nicht genau. Kann ein langer
Tag werden.«
»Ich kann doch rüberfliegen und dich
holen. Spart dir die Fahrzeit.«
»Nein, ich bringe ein paar Sachen mit,
deshalb muß ich das Auto nehmen.«
»Für das Häuschen? Was denn diesmal?«
»Geschirr. Neue Handtücher. Einen
Spiegel von einer Haushaltsauflösung.«
Er lachte. »Der Nestbautrieb schlägt
wieder zu, was?«
Seit wir das Häuschen erworben hatten,
fühlte ich mich von bestimmten Gegenständen magisch angezogen: von Teppichen,
Hauswäsche, Küchenutensilien, Möbeln. Ich hatte mir angewöhnt, Flohmärkte und
Angebote aus Haushaltsauflösungen nach buntglasiertem irdenem Geschirr aus den
dreißiger, vierziger und fünfziger Jahren zu durchstöbern — auch wenn Hy mich
darauf hingewiesen hatte, daß wir es von Hand spülen müßten, da es nicht
spülmaschinenfest sei. Aber das machte nicht viel aus, da wir noch keine
Spülmaschine besaßen.
Ich mußte lächeln, weil dieser Gedanke
prompt den Drang auslöste, gleich morgen als erstes eine zu kaufen.
»Komisch, oder?« fragte ich.
»Nicht besonders. Du weißt ja sicher
selbst, warum du das tust.«
»Und warum tue ich es, Dr. Freud?«
»Das ist leicht zu erklären. Du umgibst
dich mit Dingen, die dir die Illusion vermitteln, den Wahnsinn der Welt von dir
fernhalten zu können. Dort draußen ist es heutzutage ganz schön wild und
einsam.«
Das klang plausibel. »Geht dir das nie
so?«
»Aber klar doch. Was glaubst du, warum
ich dieses Häuschen wollte?«
»Aber du hast doch deine Ranch, deine
ganzen Sachen dort. Ich habe mein Haus und meine Sachen hier. Warum reicht das
nicht?«
»Irgendwie läßt sich der Wahnsinn
besser auf Distanz halten, wenn wir unser gemeinsames Plätzchen haben, uns mit
unseren gemeinsamen Sachen umgeben.«
Meine Augen tränten plötzlich; ich
schluckte. »Dann komme ich morgen abend mit einer weiteren Wagenladung.«
Als ich eineinhalb Stunden später nach
Hause kam, mußte ich feststellen, daß der Wahnsinn inzwischen in mein
Erdbebenhäuschen eingedrungen war. W. C. Fields lag verstümmelt auf dem
Wohnzimmerfußboden.
Ich ließ einen bestürzten Aufschrei los
und hob den Fünfundsiebzig-Dollar-Seidenpapagei auf. Er war von seiner Schaukel
am Fenster gezerrt worden, und sein bunter Schwanz hing in Fetzen. Er hatte
eine Kralle verloren, und beide Knopfaugen baumelten an Fäden. Statt wie sonst
griesgrämig, war sein Gesichtsausdruck jetzt kläglich. Ich wußte nicht, ob ich
einen Reparaturversuch unternehmen oder den Vogel hinten im Garten begraben
sollte.
»Na schön!« brüllte ich. »Na schön! Wer
war das?«
Zwei Paar Katzenaugen beobachteten mich
mißtrauisch von der Küchentür her. Ich legte W. C. Fields auf den Couchtisch
und ging auf meinen orangegetigerten Kater Ralph und seine gescheckte Schwester
Alice zu.
»Ich habe euch gewarnt — Pfoten weg von
meinem Papagei! Und habt ihr auf mich gehört? Nein, habt ihr nicht.«
Erstaunlicherweise wichen sie beide
keinen Zentimeter zurück. Sie wirkten trotzig und ziemlich selbstzufrieden. Sie
hatten W. C. Fields gehaßt, seit ich ihn ins Haus gebracht hatte, und fühlten
sich offensichtlich völlig im Recht.
Ich bückte mich und musterte sie
eingehend, in der Hoffnung, einen verräterischen Seidenfussel aus einem Maul
oder an einer Kralle hängen zu sehen. Kein Indiz.
»Wir haben Mittel und Wege, euch zum
Sprechen zu bringen«, erklärte ich ihnen.
Ralph sah Allie an.
»Und natürlich eine
Kronzeugenregelung.«
Allie sah Ralph an.
»Ich würde euch ja auf eure Rechte
hinweisen, aber ihr habt keine.«
Sie wirbelten herum und galoppierten zu
ihrer Katzentür.
»Verlaßt mir nicht die Stadt, ohne mich
zu informieren!«
Die Katzentür klappte auf und fiel
krachend wieder zu.
»Ich verliere ganz offensichtlich den
Verstand«, sagte ich.
Adah rief um Viertel nach elf an. Ich
lag schon eine ganze Weile in der Badewanne, abwechselnd damit beschäftigt, die
Reparaturchancen in Sachen W.C. zu taxieren und zu einer Entscheidung zu
gelangen, wieviel ich Joslyn von meinem Deal mit RKI
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