Ein wilder und einsamer Ort
ehe ich mit
Renshaw sprach. Also aß ich rasch ein Sandwich und rief auf der Fahrt durch die
Stadt in meinem Büro an. Mick Savage, mein Neffe und provisorischer Assistent,
war heimgegangen und hatte vergessen, den Anrufbeantworter anzustellen.
Ich knallte den Hörer auf. Fluchte und
schwor mir zum tausendsten Mal, mir einen richtigen Assistenten zu suchen. Doch
Hy hatte recht: Mick würde zwar in meinem Kopf immer nur ein Provisorium sein,
faktisch aber war er eine Dauereinrichtung. Der Junge — gerade achtzehn
geworden — war ein Computergenie und besaß ein natürliches detektivisches
Talent, und es war normalerweise eine Freude, ihn um sich zu haben. Und
außerdem konnte ich es ihm nicht verübeln, daß er es so eilig gehabt hatte,
nach Hause zu kommen; es war heute, wie er mir erzählt hatte, genau achtzehn
Monate her, daß er Maggie Bridges kennengelernt hatte, die gescheite und
hübsche Studentin, mit der er zusammenlebte. Ein romantischer Abend bahnte sich
an.
Ich mußte eben selbst die Dateien laden
und die Scans durchlaufen lassen. Ich konnte nur hoffen, daß ich nichts
vermurksen würde: Mick würde mir das bis in alle Ewigkeit Vorhalten.
Als ich um die dreieckige Grünanlage
gegenüber der All-Souls-Anwaltskooperative bog, fand ich zu meiner Überraschung
einen Parkplatz genau vor der Tür. Während all der Jahre, als ich
Chefermittlerin der Kooperative gewesen war, hatte ich unglaublich viel Zeit
damit verbracht, Parklücken zu suchen und am Ende den MG an irgendwelchen Ecken
neben Hydranten zu quetschen, aber in letzter Zeit kam es öfters vor, daß ich
problemlos einen Parkplatz fand. Vielleicht war ja nach irgendeinem kosmischen
Plan in der Miete für die eineinhalb Räume, die ich großspurig als meine
Büro-Suite bezeichnete, komfortables Parken inbegriffen.
Ich rannte die Treppen zum Eingang des
großen grauen Altbaus empor, stieß die Tür auf und ließ sie unabsichtlich
hinter mir zuknallen. In der schummrigen Empfangsdiele lief der Fernseher, und das
wechselnde Lichtmuster der Abendnachrichten flimmerte auf den blauen Wänden.
Zwei Köpfe drehten sich zu mir um — Ted Smalley, der Büroleiter der
Kooperative, und Rae Kelleher, meine Ex-Assistentin, jetzt selbst
Chefermittlerin. Sie wedelten grüßend mit den Händen. Ich winkte zurück und
ging nach oben zu dem großen Raum vorn im ersten Stock.
Als erstes schmiß ich Jacke, Handtasche
und Aktenmappe auf das Sofa. Dann sauste ich den Flur entlang in das ungeheizte
Kämmerchen neben dem Bad, das die Toilette beherbergte — eine wenig charmante
Einrichtung, wie in fast allen City-Altbauten. Kürzlich hatte jemand an der
Innenseite der Tür einen großen Spiegel montiert. Ich schnitt eine Grimasse und
schloß die Augen vor diesem äußerst unschmeichelhaften Bild meiner selbst. Kein
Wunder, daß ich es vermied, Klienten hier im Büro zu empfangen! Was, wenn sie
die Toilette benutzen wollten?
Tatsächlich sah ich vieles an All Souls
allmählich mit kritischeren Augen. Wären da nicht die Umstände gewesen, daß ich
relativ wenig Miete zahlte, daß Rae und Ted im Haus wohnten und daß ich meinen
ältesten und liebsten Freund Hank Zahn täglich in meiner Nähe wußte, hätte ich
ernsthaft erwogen, mein Büro anderswohin zu verlegen. Das Problem war, daß ich
nicht wußte, wohin; ich operierte schon so lange von diesem Gebäude aus, daß es
sich für mich inzwischen wie eine zweite Haut anfühlte. Aber All Souls hatte
sich verändert und ich auch. Die Zeiten, an denen mein Herz hing — die Zeiten,
da die Kooperative ein lockerer, unkonventioneller Laden gewesen war, in den mein
damaliges Ich perfekt hineingepaßt hatte —, waren für immer dahin.
Du kannst die Zeit nicht zurückdrehen,
McCone, sagte ich mir. Und du willst es auch gar nicht wirklich.
Die nächsten paar Stunden verbrachte
ich damit, die Daten über die Bombenanschläge, die Mick auf Diskette
gespeichert hatte, durchzuscannen. Zuerst suchte ich nach Gemeinsamkeiten:
zwischen den , Staaten, deren diplomatische Vertretungen betroffen gewesen
waren; zwischen den Diplomaten, denen die Anschläge offenbar gegolten hatten. Kein
durchgängiges Merkmal. Dann durchforschte ich jede einzelne Datei nach
Hinweisen auf irgendwelche Botschaften außer den anonymen Schreiben, die nach
den Anschlägen eingegangen waren. Fehlanzeige. Keins der betreffenden Länder
hatte irgendwelche besonderen Beziehungen zu Azad, weder feindseliger noch
freundschaftlicher Art. Die Analyse der Umstände
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