Ein zauberhafter Liebesschwindel - The Importance of being Married / 01 The Wild Trilogy
Letzte, was ich brauchte, in Sorge versetzen wollte. Nicht, dass ich etwas gegen Männer hatte. Ich fand sie prima, solange sie blieben, wo sie waren. Romantik war für meine Begriffe eine gefährliche Droge, die vernünftige, unabhängige Frauen in liebeskranke, sabbernde Teenager verwandelte – etwas, was mir ganz bestimmt nicht passieren würde. Nicht wenn ich es verhindern konnte jedenfalls. Ich hatte keine Lust, ständig über irgendeinen Kerl nachzudenken, der mich am Ende sowieso nur hängenlassen würde. Dass Männer sich nur sehr selten mit mir verabredeten – oder überhaupt Interesse an meiner Person zeigten –, war eine überaus praktische Tatsache.
Aber Grace ließ nicht locker. Für sie war die Suche nach Mr Right das Einzige, was wirklich zählte. Wann immer ich sie besuchen kam, nahm sie meine Hand und wollte wissen, ob mein netter Boss denn schon gefragt habe, ob ich mit ihm ausgehen wolle (in ihren Lieblingsromanen lief es immer so ab, dass die Sekretärinnen irgendwann aufgefordert wurden, ihren Haarknoten zu lösen und ihre Brille abzunehmen, bevor ihr Chef sie in die Arme nahm und ihnen seine unsterbliche Liebe gestand). Ich verdrehte dann nur die Augen, weil es dazu natürlich nie im Leben kommen würde. Ich fühlte mich wohl als Single. Sogar mehr als das. Der Zustand gefiel mir.
Und so gerieten wir in eine Sackgasse. Wenn Grace mich nach meinem Liebesleben ausfragte, erzählte ich ihr von einem neuen Projekt bei der Arbeit. Wenn sie wissen wollte, ob mein Boss immer noch Single sei, fing ich von der Kaffeemaschine an, die Helen und ich erstanden hatten, um so das Geld für die vielen Milchkaffees zum Mitnehmen zu sparen (nur fürs Protokoll: Lassen Sie es bleiben. Die Dinger kosten ein Vermögen, und trotzdem kaufen wir jeden Morgen noch unseren Kaffee auf dem Weg ins Büro). Bei einem Besuch war es mir gelungen, Grace fast die gesamten zwei Stunden von einer Kampagne zu erzählen, an der ich gerade arbeitete, und als ich fertig war, fixierte sie mich mit ihren leuchtenden Augen und sagte: »Also, Jess, jetzt sag schon, wie läuft es mit der Männerjagd? Hat dich der Wunderknabe der Werbung schon bemerkt?«
Ich hatte immer angenommen, dass sie das Thema irgendwann langweilen würde, dass sie aufgeben und akzeptieren würde, dass sie auf verlorenem Posten kämpfte – aber weit gefehlt. Stattdessen setzte Grace jedes Mal noch eins drauf, quetschte mich nach jedem männlichen Single im Büro aus und unterzog ihn einer Prüfung hinsichtlich seiner Qualitäten als potenzieller Ehemann.
Und dann, nachdem ich monatelang ausgewichen war, das Thema gewechselt, ungläubig die Brauen hochgezogen und entschlossen die Achseln gezuckt hatte, tat ich etwas, worauf ich alles andere als stolz bin. Ich erfand einen Freund.
Okay, mir ist klar, wie mies das klingt. Einen Freund erfindet man sich, wenn man dreizehn ist. Aber Sie müssen mir glauben, wenn ich sage, dass ich keine andere Wahl hatte. Und wenn ich eine hatte, erkannte ich sie in diesem Moment jedenfalls nicht.
Also gut, die meisten hätten sich etwas anderes einfallen lassen. Aber andere Mädchen hätten wahrscheinlich sowieso einen Freund gehabt, also spielt das jetzt keine Rolle.
Zurück zu meiner Geschichte: Es war ein sehr warmer, sonniger Tag, und ich kam ein wenig früher zum Sunnymead Retirement Home als sonst. Grace wurde gerade untersucht, also wartete ich vor der Tür, weil mir Ärzte mit ihren Stethoskopen und ihren ernsten Gesichtern immer ein bisschen Angst machen. Jedenfalls stand ich auf dem Korridor vor Graces Tür und hörte einen von ihnen sagen: »Tut mir leid, Grace, das sieht nicht besonders gut aus. Ihr Zustand verschlechtert sich zusehends.«
Ich hatte keine Ahnung, welcher Zustand sich verschlechterte und was genau nicht sonderlich gut aussah, aber wenn Ärzte solche Worte in den Mund nehmen, sind die Details auch nicht so wichtig, oder? Ich erschrak fürchterlich und war auf einmal panisch, weil ich nicht wollte, dass Grace etwas passierte. Nach einer Weile zogen die Ärzte ab, und ich zwang mich, ein breites Grinsen aufzusetzen, weil ich dachte, dass sie bestimmt ein wenig Aufmunterung gebrauchen könnte. Sie strahlte, als sie mich sah, und ich wollte unbedingt, dass dieser fröhliche Ausdruck auf ihrem Gesicht blieb und nicht von Angst, Verzweiflung oder sonst etwas Schlimmem vertrieben wurde.
»Und, Jess, wie geht es dir?«, war das Erste, was sie fragte. »Gibt es aufregende Neuigkeiten? Irgendwelche netten
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