Ein zauberhafter Liebesschwindel - The Importance of being Married / 01 The Wild Trilogy
erst ein klein wenig, dann immer mehr, Stück für Stück, bis es kein Zurück mehr gab.
Nicht, dass je die Möglichkeit bestanden hätte zurückzupaddeln. Ich meine, ich konnte doch nicht in der nächsten Woche ankommen und behaupten, das Date sei ins Wasser gefallen. Es hätte ihr das Herz gebrochen, oder sie hätte einen Rückfall erlitten, und ich wäre schuld gewesen. Also schilderte ich ihr unser erstes Date haarklein. Na ja, in Wahrheit erzählte ich ihr von Helens Date mit dem Direktor einer Plattenfirma und tauschte einfach unsere Namen aus – bloß dass unser Abend nicht mit Sex in seinem Büro endete, sondern mit einem scheuen Kuss vor meiner Haustür. Anthony, so stellte sich heraus, war ein Ehrenmann, interessant, und, was noch viel wichtiger war, völlig verrückt nach mir. Mir ist klar, wie idiotisch das jetzt klingt, und es ist mir auch wahnsinnig peinlich, das zuzugeben (insbesondere weil ich Menschen verachte, die ihre ganze Freizeit auf Männerjagd sind), aber ich genoss es in gewisser Weise, Grace davon zu erzählen. Befreit von den Fesseln der Realität, war es das beste Date, das ich je erlebt hatte. Es war sogar so gut, dass ich es nicht ertragen hätte, wenn er sich anschließend nicht mehr gemeldet hätte. Aber er tat es. Zwei Tage später - genau wie Helens Platten-Typ. Doch während Helen zuhörte, wie er eine sehnsüchtige Nachricht nach der anderen auf den Anrufbeantworter hinterließ, sagte ich für das zweite Date zu. Zumindest im übertragenen Sinne.
Falls ich damals irgendwelche Zweifel gehabt hatte, gelang es mir, sie zu unterdrücken und mir einzureden, es sei doch alles nur ein harmloser Spaß. Nichts als alberne Geschichten, um Graces Sehnsucht nach Romantik zu stillen. Und wenn ich ehrlich bin, muss ich zugeben, dass auch ich meinen Spaß daran hatte. Ich meine, natürlich wusste ich, dass es lächerlich war. Meine rationale, bodenständige Seite wusste, dass meine Dates nicht mehr Realitätsbezug als »Schneewittchen und die sieben Zwerge« oder »Aschenputtel« hatten, aber genau das macht ein Märchen doch aus – es ist hübsch und nett, es gibt ein Happyend, und auch wenn einem klar ist, dass das Leben nicht so läuft, macht es trotzdem Spaß, alle seine Vorbehalte über Bord zu werfen und der Fantasie freien Lauf zu lassen. Und wenn es nur für eine kurze Weile ist.
Grace hätte nicht aufgeregter sein können. Sie hätte ein gutes Gefühl bei dieser Sache, behauptete sie ständig. So gut, dass sie es kaum erwarten konnte, dass ich sie beim nächsten Besuch auf den neuesten Stand brachte. Meine Liebesgeschichte hielte sie bei der Stange, meinte sie.
Bei der Stange halten . Wie sollte ich ihr da sagen, dass alles nur erfunden war?
Bei jedem Besuch wappnete ich mich innerlich, war entschlossen, Grace die Wahrheit zu sagen, zuzugeben, dass ich mir alles nur ausgedacht hatte. Aber jedes Mal begannen ihre Augen zu leuchten, sobald ich ihr Zimmer betrat, und sie bettelte: »Und? Erzähl! Erzähl mir alles!« So verkniff ich mir mein Geständnis also einmal mehr, sagte mir, die Wahrheit könne ruhig noch ein wenig warten, zumal jetzt auch kein guter Zeitpunkt sei, und außerdem sei die Wahrheit nicht wichtig, solange ich Grace mit meinen Geschichten glücklich machen könnte.
Als ich ihr erzählte, dass wir gemeinsam in Urlaub fahren würden (in Wahrheit nahm ich an einem einwöchigen Seminar mit dem Titel »Wie werten Sie Ihr Aufgabengebiet auf und bekommen so die Beförderung, die Sie verdienen«), sah Grace mich mit strahlenden Augen an. »Du weißt, was er im Schilde führt, oder?«, meinte sie, worauf ich die Stirn runzelte und verneinte. Sie lächelte. »Er wird dich fragen, ob du ihn heiraten willst.«
Natürlich blieb mir die Spucke weg. Und natürlich merkte ich in diesem Augenblick, dass die Dinge gerade ein wenig außer Kontrolle gerieten. Bei der Vorstellung zu heiraten, und selbst wenn es nur im Märchenland war, brach mir der kalte Schweiß aus. Aber ich hatte Grace noch nie so begeistert gesehen. Sie bebte regelrecht in freudiger Erregung.
Also verdrehte ich die Augen. »Oh, das bezweifle ich.«
»Ich nicht«, erklärte Grace versonnen, ehe sie sich seufzend eine Träne aus dem Augenwinkel wischte und meine Hand nahm. »Jess, ich möchte, dass du mir etwas versprichst.«
»Ja?«, fragte ich argwöhnisch. »Was denn?«
»Bitte versprich mir, dass du es auch annehmen wirst, wenn dir jemand alles vor die Füße legt, was er zu geben hat.«
»Was?« Ich hob
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