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Einarmig unter Blinden - Roman: Roman

Einarmig unter Blinden - Roman: Roman

Titel: Einarmig unter Blinden - Roman: Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Philipp Jessen
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Wippt kurz nach. Bleibt liegen.
    »Deine Sachen.«
    Ich linse zum Bett. Der Hummer ist nicht aus der Tüte gefallen. Nur eine Klaue guckt heraus. Sie! setzt sich mit dem Rücken zum Bündel auf das Bett und atmet ein genervtes »Willst du reden?« aus.
    »Nein. Aber danke für das Angebot«, sage ich und versuche noch genervter zu wirken als Sie!.
    Sie! dreht sich um und beginnt in der Tüte zu kramen. Etwas zu gleichgültig für meinen Geschmack sagt Sie!: »Auch den Hummer? Das war doch ein Geschenk.«
    »Tolles Geschenk. Den hast du doch nur gekauft, weil du vorher nichts besorgt hattest.«
    »Wenn du meinst. Ich finde, es ist ein Geschenk. So etwas gibt man nicht zurück. Das macht man nicht.«
    »Man macht auch nicht grundlos Schluss.«
    Ja! Ich glaube, das hat gesessen. Glaube, ihr Kinn hat gezittert. So wie bei einem Kind, das gleich anfängt zu weinen.
    Ich bin gut dabei. Zwar kein K.-O.-Schlag, doch ein paar linke Haken haben gesessen. Darum schiebe ich schnell ein »Ich hau ab.« hinterher.
    »Wo ist der Pulli?«
    »Der bitte was?«
    »Du weißt schon. Der Stüssy-Pullover, den ich dir geschenkt habe. Den will ich auch zurück.«
    »Das ist jetzt nicht dein Ernst.«
    »Und wie! Wenn schon, dann will ich alles wiederhaben.«
    »Das ist das Erste, was du mir geschenkt hast! Das ist mein liebster …« Ich merke, wie meine Beine einknicken und der Ringrichter mich anzählt. Zum Heul-K.-O. sind es nur ein paar Sekunden.
    »Wir fahren jetzt zu dir und holen den.«
    Ich drücke noch ein »Meinetwegen« heraus. Stehe auf und verlasse das Zimmer, obwohl Sie!, mittlerweile im Türrahmen stehend, mir nicht viel Platz lässt, ohne Sie! zu berühren.
    Wir sind in getrennten Wagen gefahren. Sie! natürlich voraus. Peinlich darauf bedacht, an den Ampeln nicht in den Rückspiegel zu schauen und extrem gut gelaunt zu wirken.
    Sie! steigt nicht aus ihrem Wagen. Kommt nicht mit rein. »Beim Schlussmachen ist sie wenigstens noch die Treppen gestiegen«, maule ich vor mich hin, als ich meine Wohnung aufschließe. Soll ich ihr den Pulli aus dem Fenster zuwerfen? Nein. Ich beschließe, den Rest Souveränität zu bewahren, und tapere wieder hinunter, den Pullover zusammengeknüllt in der rechten Hand. Nur einen Spalt öffnet Sie! ihr Autofenster. Schaut mich nicht an. Als der Pulli ihre Hand berührt, gibt Sie! Gas.
    Diesen Kampf habe ich ohne Zweifel verloren. In der ersten Runde sah es noch so aus, als ob ich Chancen hätte. Doch gegen den amtierenden Weltmeister im Schwer-»Beziehungsspielchen-Spielen«-Gewicht ging gar nichts. Noch verliebt zu sein ist in so einem Fight aber auch ein Handicap wie zwei gebrochene Hände beim Boxen.
    Ich lege mich schlafen. Das ist das Einzige, was wirklich hilft, wenn man traurig ist. Das Einschlafen aber ist hart. Keine Einflüsse von außen. Nur du und Schmerz. Bilder von ihr und dir. Bilder von ihr mit anderen Typen. Bilder du allein. Und im Hals dieser in Säure eingelegte Tennisball.
    Hat man sich aber ein paar Minuten durch dieses Labyrinth aus Ekelgedanken gequält, ist man für Stunden frei.
    Ich habe nicht geträumt. Oder ich kann mich nicht erinnern. Draußen ist es schon dunkel. Stockfinster sogar. Ich höre keine Autos fahren. Es muss nach zwei sein.
    Ich will noch etwas essen. Ziehe mir noch im Dunkeln eine Hose und Schuhe an. Das T-Shirt, das Sie! immer besonders an mir mochte, ist vom Schlafen völlig verschwitzt. Jacke drüber. Zu McDonald’s. Ab dafür. Der McDonald’s-Fraß ist wie Wichsen: kein echter Genuss, keine echte Befriedigung. Man macht beides, weil man halt muss.
    Ich öffne die Haustür. Im Flur brennt kein Licht.
    Meine Fußmatte fühlt sich seltsam weich an. Als ich das Flurlicht einschalte, sehe ich, dass ich nicht auf meiner Fußmatte stehe. Sauber zusammengelegt liegt da der Stüssy-Pullover. Im Kragen sitzt der Hummer und glotzt mich verständnislos an.
    Ich werde noch hungriger

Sieben:
Die Welt hat Liebeskummer
    Es gibt Milliarden von Menschen. Hunderte von Völkern. Unzählige Meinungen, Lebenseinstellungen, Werte und Erfahrungen. Verschiedene Religionen. Viele Formen der Liebe. Und nur eine Sache, die alle Menschen vereint: Liebeskummer. Kummer, entstanden aus Liebe, ist das einzige Band, das alle miteinander verbindet. Irgendwas muss da falsch gelaufen sein.
    Ich habe mich zu dünn angezogen. Unter meiner Jeansjacke trage ich nur ein T-Shirt. Die Sonne scheint. Aber sobald sie hinter den Wolken verschwindet, die wie die benutzten Wattepads aus der

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