Einarmig unter Blinden - Roman: Roman
perfekt – und viel zu teuer. Der Verkäufer merkte sofort, was los war. Blieb dennoch freundlich und zeigte mir ein paar andere Ringe. Keiner war aber auch nur entfernt so schön wie der Erste. Als der Verkäufer gerade aus einem Nebenraum Nachschub holte, stand ich auf, rief etwas Entschuldigendes in Richtung der geöffneten Tür und verließ schnell den Laden.
Lustlos durchstöberte ich noch ein paar andere Geschäfte. Doch das hatte keinen Sinn mehr. Der Ring hatte sich in mein Hirn gebrannt. Ich guckte auch gar nicht mehr wirklich nach einem anderen Ring – ich suchte einen, der genauso aussah.
»Ich habe gewusst, dass Sie wiederkommen«, sagte der modische Tweed-Greis, als ich die Glocken wieder zum Dingelingen brachte. Jetzt wirkte er nicht mehr ganz so freundlich. Eher überlegen. Ich zitterte am ganzen Körper, als ich ihm meine EC-Karte gab. Ich wusste, dass es das Richtige und zugleich das total Falscheste war, was ich tun konnte. Eigentlich hätte er die Karte auch behalten können; sie war noch genauso viel wert wie eine Plastiktüte. Ich ließ die Schachtel nicht in Geschenkpapier einpacken.
Ich fuhr sofort zu ihr. Raste über eine rote und zig gelbe Ampeln.
Sie! war gerade vom Sport gekommen. Trug ein graues Sweatshirt und war erstaunt mich zu sehen. Ich konnte nicht sprechen. Hielt nur das geöffnete Schächtelchen hin. Ich werde diesen Anblick nie vergessen. Ihre Haare hingen ihr wirr ins Gesicht. Ihre Unterlippe zitterte und ihr Kinn kräuselte sich wie bei einem Kleinkind, das sich nicht zwischen Lachen und Heulen entscheiden kann.
Ein paar Läden weiter öffnet gerade ein Chinese. Ich höre auf zu kratzen und beschließe etwas zu frühstücken.
Asiaten sind wie Rothaarige. Alle sehen gleich aus, nur ein paar sind richtig hässlich. Der Kellner ist einer von der hässlichen Sorte. Seine Zähne stehen wie Kraut und Rüben. Eine schwarz-gelbe, sandige Kruste breitet sich vom Zahnfleisch über die Zähne aus. Auf seiner linken Wange hat er ein schwarzes Muttermal, aus dem zwei fettige Haare wachsen. Zu der Karte bringt er Tee und einen Glückskeks.
»Bis zehn nur Salate«, sagt er und dreht ab. Soll mir recht sein.
Der Tee schmeckt scheußlich. Wie heißes Parfüm mit Motoröl. Ich will ein Wasser bestellen, aber der Kellner ist nirgends zu sehen. Ich beiße in den Keks, um diesen ekelhaften Geschmack zu verbannen. Wird nichts: Der Keks schmeckt nach gar nichts, hat aber die Wirkung, als ob man auf einer Rolle Klopapier kaut. Mein Mund ist staubtrocken.
Bevor ich in die Karte schaue, lese ich den kleinen Zettel, der im Keks steckte. Der Mensch, den du im Herzen trägst, ist nicht immer der Mensch deiner Träume.
Vielleicht hätte ich doch in die Uni gehen sollen.
Acht:
Tattoo
Ich möchte Harald Schmidt nie treffen. Ich habe Angst, es könnte mich enttäuschen. Er ist zurzeit das einzig Gute in meinem Leben.
Heute Morgen wurde ich von einer Medium-Freundin geweckt. Sie rief mich um acht Uhr früh an und erzählte, nein, er stöhnte mir, wie sie gestern einen abgehalfterten Daily-Talk-Moderator flachgelegt hat, der die gestörten Vorlieben seiner bescheuerten Gäste übernommen hat. Vor dem Orgasmus hat er sein Ding rausgenommen, sie angespritzt (»So viel wie ein Elefant!«) und schließlich sein Sperma von ihr abgeleckt. Sie fand es ekelig, dass er dabei geschmatzt hat.
Ich finde dich ekelig!
Oft denke ich, dass es nur zwei Arten von Frauen auf der Welt gibt: die, die ich scheiße finde, und die, die mich scheiße finden. Aber dann fällt mir ein, dass es natürlich noch zwei weitere Gruppen gibt. Die Frauen, die mich nicht lieben, und Weiber, die glauben, mir solche Sachen erzählen zu müssen.
Guten Morgen.
Irgendwann später rief Paul an. Seit der Sache auf dem Kiez hatte ich nichts mehr von ihm gehört. Er hatte in einem Club einer Blondine, die ihn hatte abblitzen lassen, die Kreditkarte aus der Handtasche geklaut. Als ich es bemerkte, weil er jedem Kiez-Penner eine Sexpuppe schenkte, gerieten wir in Streit. Ich nahm ihm die Karte ab und schmiss sie in einen Abfalleimer vor Burger King. Dabei sah mich ein Zivilfahnder, der mich eine halbe Stunde später festnahm. Paul lief weg. Obwohl ich ihn deckte und nur mit ganz viel Glück und einem hoch (nicht von mir) bezahlten Anwalt aus der Sache heil und ohne Vorstrafe rauskam, glaubte er, auf mich wütend sein zu können.
Paul ist mittlerweile mit Jenny zusammen. Die beiden werten sich ab: Er sieht ein bisschen prolltürkisch aus,
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