Eine andere Art von Ewigkeit: Lilith-Saga: 2 (German Edition)
aus.
Es gibt kein Entrinnen…
Der Tod wartet auf mich…
Mit einem Ruck werden die Schiebetüren aufgerissen. Ich werde an den Füßen gepackt, nach draußen gezogen und falle schwer auf den Rücken. Zwei Männer zerren mich an den Beinen über einen Kiesweg. Der Schotter schrammt meine Haut wund, zerreißt meine Kleidung.
Für einige Momente sehe ich einen hohen grauen Felsen. Moos wächst in seinen zerklüfteten Furchen.
Der Berg wölbt sich über mich, das Tageslicht verblasst. An seine Stelle treten ovale Lampen, die mit Gittern überzogen sind. Ihr gelbliches Licht wird vom feuchten Stein zurückgeworfen.
Es ist kalt und wird immer kälter, je weiter wir in das Innere des Felsens vordringen. Die niedrige Temperatur hilft mir, klarer zu denken.
Die Luft wird stickig, kein Windhauch ist zu verspüren. Ich höre Wassertropfen in Pfützen fallen und auf die Wände klatschen.
Der Atem der Männer ist jetzt sichtbar. Sie lassen mich los. Ich befinde mich in einer uferlosen Dunkelheit, in deren Mitte einige Lampen einen kärglichen Schein verbreiten. Es riecht modrig und nach Salpeter.
Ich friere erbärmlich und schlottere am ganzen Körper.
Die Männer beachten mich nicht weiter und warten. Einer zündet sich eine Zigarette an. Er wirft das noch brennende Streichholz auf mich, verfehlt mich knapp und es erlischt zischend in der Feuchtigkeit.
Die Männer tragen Springerstiefel.
Ich höre das rhythmische Arbeiten von schweren Maschinen und das leise Gurgeln von Wasser. Es dauert eine Weile, bis mein Verstand das Geräusch einordnen kann. Es muss sich um gigantische Pumpen handeln. Der Boden, auf dem ich liege, gibt die Erschütterungen weiter, die durch das Absaugen verursacht werden.
Jetzt mischt sich das dumpfe Echo von Schritten dazu.
Es ist mir nicht möglich, meinen Kopf so weit zu drehen, um zu sehen, wer sich nähert. Ich will es auch nicht. Plötzlich sehne ich mich nach der Ohnmacht zurück, die mir die Spritze hätte verschaffen können.
„Ist sie das?“, fragt eine tiefe, wohlklingende Stimme.
„Das ist unser neues Paket, Maestro. Und es ist nahezu unbeschädigt. Auch wenn das Miststück gerade den sterbenden Schwan markiert“, kommt die Antwort aus der Dunkelheit.
„Gut, hebt sie hoch. Ich will mit ihr reden“, befiehlt die melodische Stimme. Sie passt nicht in diese Umgebung.
Harte Finger graben sich in meine Schultern. Ich wehre mich. Ich will nicht angefasst werden. Ich will nicht aufgerichtet werden. Ich will nicht sehen, wer das Gespräch mit mir sucht. Ich bin nur noch Angst und Verzweiflung.
Die Männer lachen, packen fester zu, zerren an meinen Haaren und zwingen mich zu einer sitzenden Haltung. Mein Kopf wird zurückgerissen. Ich presse meine Augen zusammen. Mir wird links und rechts ins Gesicht geschlagen. Die Tränen des unterdrückten Schmerzes bringen mich dazu, aufzublicken.
Vor mir steht ein junger schlanker Mann. Er sieht aus wie ein Engel. Seine Haare fallen ihm in sanften Wellen über sein ebenmäßiges Antlitz und über die Schultern. Sein Gesicht ist weich, fast kindlich. Seine Wangen zeigen den leisen Hauch einer Röte. Sein Mund ist voll, seine Lippen rosa und zart.
Nur seine Augen passen nicht dazu.
Sie sind düster und leblos wie ein offenes Grab.
Er trägt eine dunkelgraue Flanellhose und ein makelloses, weißes Hemd. Seine Finger sind bleich, lang und dünn. Die Fingernägel sind extrem kurz geschnitten, aber gepflegt. Ein breiter Goldring glänzt an seiner rechten Hand. Doch es ist kein Ehering im eigentlichen Sinne des Wortes. Er hat einen anderen Bund fürs Leben geschlossen. Dafür steht das Emblem, das auf dem Ring prangt, das ich so gut kenne, so sehr fürchte und hasse. Es ist das Zeichen des Raben. Es ist das Zeichen der Studentenverbindung
Fraternitas Cornicis
.
„Macht ihr den Knebel heraus“, bittet der Engel des Todes, den seine Männer Maestro nennen.
Der dicke Streifen Isolierband wird mir vom Gesicht gerissen. Er verletzt meine Haut. Keuchend spucke ich den von meinem Speichel durchtränkten Stoffballen aus, den man mir vor Stunden in den Mund gestopft hat. Ich muss würgen. Trotz meiner Panik genieße ich die Fähigkeit, frei atmen zu können. Die modrige Luft kommt mir süß und rein vor.
„Kannst du mich hören?“ Die Frage des Maestros klingt mehr wie ein Lied.
„Sie haben eine klassische Gesangsausbildung“, gebe ich ihm zur Antwort.
Der Mann lächelt in Richtung seiner Männer, die sich im Hintergrund halten. „Diese
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