Eine andere Art von Ewigkeit: Lilith-Saga: 2 (German Edition)
Dämonen sind schlau! Nicht wahr, da staunt ihr?“
„Aber du hast nicht Recht“, redet er weiter, während er mich mustert, wie man ein Stück Vieh auf einem Markt betrachtet. „Ich habe zwar mit Musik zu tun, aber ich bin kein Sänger. Ich bin ein Musiker, besser gesagt, ein Kirchenmusiker. …Genau gesagt, Dozent für Kirchenmusik. Und weißt du was? Ich habe zwei Lieblingsinstrumente. Das eine ist die Orgel. Kennst du die Orgel? Kennst du ihre gewaltige, himmlische Musik, die selbst ein großes Gotteshaus ehrfürchtig zum Schwingen bringt?“
Ich blicke ihn nur entgeistert an und finde keine Worte, mein in mir aufkeimendes Entsetzen auszudrücken.
Selbstverliebt fährt er sich durchs Haar, lächelt mich herablassend an.
„Aber was rede ich da. Natürlich kannst du mein Faible für die unübertrefflichen Klänge der Orgelmusik kaum nachvollziehen. Woher auch! Aber vielleicht kennst du mein zweites Lieblingsinstrument besser.“ Er streckt seinen rechten Arm fordernd aus und einer der Männer tritt aus dem Schatten, um ihm eine große schwarze Automatikpistole in die Hand zu legen.
Der Maestro schließt kurz die Augen, atmet ekstatisch durch. Seine Nasenflügel beben. Er legt seine linke Hand auf den Schlitten der Waffe und schiebt ihn mit einem metallenen Kratzen nach hinten. Es gibt ein tiefes Klicken als eine der Patronen aus dem Magazin in den Lauf gleitet. Das Gesicht des Maestros ist regungslos und entrückt.
Urplötzlich durchbricht er seine Lethargie, beugt sich zu mir herab und drückt mir die Mündung auf den Mund. Seine Lippen formen lautlos ein O, als Aufforderung an mich, wie ich mich zu verhalten habe. Ich presse meine Lippen zusammen und bereite mich darauf vor, den Körper zu verlassen. Sina bereitet sich darauf vor, den Körper zu verlassen.
Irritiert und zornig starrt mich der langhaarige Maestro an. Er ist es nicht gewohnt, Grenzen aufgezeigt zu bekommen. Tief in seinen Augen sehe ich den Wahnsinn hervorlugen und mich angrinsen. Ein Teil von mir ist versucht, zurückzugrinsen.
Auf ungeduldiges Geheiß des Maestros tritt einer der Männer nach vorne und hält mir kurzerhand die Nase zu. Ich komme eine Zeitlang ohne Luft aus, dann muss ich meinen Mund öffnen, um zu atmen.
Sofort schiebt mir der Langhaarige mit lustvoll verzerrten Zügen den stählernen Lauf der Waffe bis an den Gaumen.
„Wenn ich abdrücke, spritzt dein Gehirn an die Wand“, stellt er fest.
Er ist sichtlich erregt und atmet beinahe keuchend. Er braucht längere Zeit, um sich zu fangen, bis sein Verstand über seine Triebe siegt.
Wesentlich ruhiger und sachlicher fährt er fort. „Auf der anderen Seite könnt ihr Dämonen euren Körper auf Dauer verlassen, wenn er kurz davor ist, zu sterben. Nicht wahr?“ Er hält einen Augenblick inne und seine Stimme hat einen eiskalten, grausamen Klang, als er nachsetzt: „Aber nur dann.“
Schweiß rinnt über meine Stirn, meine Muskeln zucken unkontrollierbar.
Er lacht ein melodiöses Lachen. „Du dachtest, das weiß ich nicht. Du dachtest, ich lasse mich von meiner Leidenschaft hinreißen und bringe deine menschliche Hülle um. Und du kannst dann weiterziehen und dir einen neuen Wirt suchen. Aber so einfach machen wir uns das hier nicht.“ Er zieht den Lauf ruckartig aus meinem Mund, das Metall der Waffe schlägt schmerzhaft an meine Zähne.
Ein liebevolles Lächeln huscht über sein Gesicht. „Sag mir, du Dämon. Sind. Wir. Sicher? Samael - ist Samael sicher?“
Ich bin gelähmt. Mein Verstand arbeitet nicht mehr.
Stillvergnügt betrachtet er mich eine Weile. „Wenn du nicht mit mir reden willst, werde ich dir eine kleine Überraschung zeigen“, säuselt er. Dann befiehlt er seinen Männern: „Hebt sie auf! Sie will unbedingt unseren
Agility-Bereich
kennenlernen.“
Ich werde weiter in die Dunkelheit geschleppt, steil hinunter ins Schwarz der Höhle, bis sich ein neuer Raum vor mir öffnet. Mehrere Scheinwerfer erhellen ihn. Zahlreiche Stalagmiten und Stalaktiten sind in Abermillionen Jahren aus der Decke und aus dem Boden gewachsen. Ihre gelblich weißen Formen schillern jungfräulich und zugleich majestätisch. Es ist eine absolut atemberaubende Szenerie, erhaben, entrückt von der Welt und zeitlos.
Der eiserne Pfahl, der in der Mitte der Tropfsteinhöhle steht, wirkt umso realer. Er endet in einer flachen Vertiefung, die in den Stein gehauen ist. In ihr schimmert eine schwarzrote zähe Flüssigkeit. Es riecht nach Salz und Verwesung.
An den Pfahl ist ein
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