Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Eine Andere Welt

Eine Andere Welt

Titel: Eine Andere Welt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Philip K. Dick
Vom Netzwerk:
nicht mehr darauf ankäme, weil er bis dahin schon unwiederbringliche Jahre seines Lebens mit Schaufel und Spitzhacke in einem Steinbruch verbracht haben würde. Denn die Polizei würde aus dem Fehlen der Unterlagen schließen, daß er ein entkommener Student sei. Nur Studenten, die im Untergrund lebten, waren nirgendwo registriert.
Er war ganz unten, ein Mann, der um die bloße physische Existenz ringen mußte. Irgendwie würde er sich eines Tages wieder emporkämpfen, aber nicht jetzt. Es gab anderes, Wichtigeres zu tun. Ich werde mich durchbeißen, dachte er. Ein Sechser ist kein gewöhnlicher Mensch. Ein gewöhnlicher Mensch häe nicht überleben können, was ich in den vergangenen zwölf Stunden durchgemacht habe. Ein Sechser setzt sich immer durch, gleichgültig, wie ungünstig die äußeren Umstände sein mögen. Denn er ist genetisch dafür programmiert.
Jason verließ das Zimmer ein zweites Mal, ging hinunter und zum Empfangsschalter. Ein Mann mileren Alters mit einem schmalen Oberlippenschnurrbart las in einer abgegriffenen Nummer des ›Box‹-Magazins. Er blickte nicht auf, sagte aber: »Ja, Sir?«
Jason zog sein Banknotenbündel hervor und legte eine Fünfhundertdollarnote auf den Tresen. Der Mann blickte flüchtig auf, dann sah er genauer hin, und seine Augen weiteten sich. Schließlich kam ein vorsichtiger Ausdruck in sein Gesicht, und er blickte fragend zu Jason auf. »Meine Ausweispapiere sind gestohlen worden«, sagte Jason. »Dieser Schein gehört Ihnen, wenn Sie mich zu jemandem bringen, der die verlorenen Papiere ersetzen kann. Wenn Sie es tun wollen, dann tun Sie es gleich; ich kann nicht warten.« Warten, bis vielleicht ein Bulle in diese schmierige Absteige kommt und mich mitnimmt, dachte er. Das häe noch gefehlt.
»Draußen sind Sie auch nicht sicherer«, sagte der Mann am Empfangsschalter zu Jasons Bestürzung. »Ich bin eine Art Telepath, wissen Sie. Und ich bin mir bewußt, daß dieses Hotel nichts Besonderes ist, aber wir haben kein Ungeziefer. Einmal haen wir eingeschleppte Sandflöhe, aber nicht mehr.« Er nahm die Fünfhundertdollarnote an sich und stand auf. »Ich werde Sie zu jemandem bringen, der Ihnen helfen kann«, sagte er. Er hielt inne, und nachdem er Jasons Gesicht aufmerksam betrachtet hae, sagte er: »Sie halten sich für eine Berühmtheit, wie? Nun, hier lernt man die sonderbarsten Käuze kennen.«
»Kommen Sie, gehen wir«, sagte Jason mürrisch. »Jetzt.«
»Sofort«, sagte der andere und griff nach seinem glänzenden Plastikmantel.
3
    A
    ls der Hotelangestellte seinen altersschwachen Wagen langsam und geräuschvoll die Straße entlangsteuerte, sagte er beiläufig: »Ich empfange eine Menge komisches Zeug aus Ihrem Kopf.«
    »Verschwinden Sie aus meinem Kopf«, sagte Jason ärgerlich. Er hae die neugierigen, indiskreten Telepathen noch nie gemocht, und dieser hier bildete keine Ausnahme. »Überlassen Sie meine Gedanken mir«, sagte er, »und bringen Sie mich zu der Person, die mir helfen kann. Und fahren Sie nicht aus Versehen in eine Verkehrskontrolle, wenn Sie den Tag überleben wollen.«
    »Das brauchen Sie mir nicht zu sagen«, erwiderte der Hotelangestellte. »Mir würde nicht viel passieren, aber ich weiß, was mit Ihnen geschehen würde, wenn wir mit den Bullen oder den Gardisten zu tun bekämen. Glauben Sie bloß nicht, Sie wären der erste, dem ich so was vermile. Ich habe es schon o gemacht, meistens für Studenten. Aber Sie sind kein Student. Sie sind ein berühmter Mann und reich. Zugleich aber sind Sie es nicht, sind Sie ein Niemand. Juristisch gesprochen, existieren Sie nicht einmal.«
    Er lachte ein dünnes, kraloses Lachen, den Blick auf die Straße und den Verkehr fixiert. Jason fand, daß er wie eine alte Frau fuhr; beide Hände umklammerten das Lenkrad, als ob es ein Reungsring wäre.
    Sie kamen in das Slumviertel Wa s. Kleine dunkle Läden auf beiden Seiten der unordentlichen Straße, überfließende Mülltonnen, Gehsteige und Fahrbahnen übersät mit Flaschenscherben, Papierfetzen und anderem Unrat, eintönige Schilder, die mit großen Buchstaben für Coca-Cola warben und darunter in kleinen Buchstaben den Namen des jeweiligen Landes trugen. An einer Kreuzung überquerte ein alter Neger mit stockenden Bewegungen die Straße, tastete sich voran, als sei er vom Alter blind. Sein Anblick löste in Jason seltsame Gefühle aus. Wegen des berüchtigten Sterilisierungsgesetzes, das in den schrecklichen Tagen des Aufstands vom Kongreß verabschiedet worden

Weitere Kostenlose Bücher