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Eine andere Wirklichkeit. Neue Gespräche mit Don Juan

Eine andere Wirklichkeit. Neue Gespräche mit Don Juan

Titel: Eine andere Wirklichkeit. Neue Gespräche mit Don Juan Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Carlos Castaneda
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mehr über Peyote zu lernen, weil dies einen Mut erforderte, den ich nicht besaß; und daß ich es mit meinem Entschluß, aufhören zu wollen, wirklich ernst gemeint hatte. Don Juan lächelte und schwieg. Ich sprach weiter, bis wir zu seinem Haus gelangten. Wir saßen auf dem sauberen Boden vor seiner Tür. Es war ein heißer, klarer Tag, aber jetzt, am Spätnachmittag, wehte eine angenehme leichte Brise. »Warum mußt du das so oft betonen?« sagte Don Juan plötzlich. »Wie lange behauptest du nun schon, daß du nicht mehr lernen willst?«
»Drei Jahre.«
»Warum bist du da so unnachgiebig?«
    »Ich glaube, dich verraten zu haben, Don Juan. Ich glaube, deshalb spreche ich immer darüber.«
»Du hast mich nicht verraten.«
    »Ich habe dich im Stich gelassen. Ich bin fortgelaufen. Ich fühle mich besiegt.«
»Du tust, was du kannst. Außerdem bist du noch nicht besiegt. Was ich dich lehren muß, ist sehr schwer. Mir zum Beispiel ist es früher noch schwerer gefallen als dir.«
»Aber du bist dabeigeblieben, Don Juan. Bei mir ist es etwas anderes. Ich habe aufgegeben und bin jetzt bei dir, nicht weil ich etwas lernen möchte, sondern nur, weil ich dich um eine Erklärung im Zusammenhang mit meiner Arbeit bitten möchte.« Don Juan blickte mich kurz an und schaute dann weg. »Du solltest dich wieder vom Rauch führen lassen«, sagte er mit Nachdruck.
    »Nein, Don Juan, ich kann deinen Rauch nicht mehr benutzen. Ich glaube, ich bin am Ende meiner Kräfte.«
»Du hast noch nicht einmal begonnen.«
»Ich habe zuviel Angst.«
    »Dann hast du eben Angst. Angst zu haben, ist nichts Besonderes. Denk nicht an deine Furcht. Denk an die Wunder des Sehens.«
    »Ich wünsche aufrichtig, ich könnte an diese Wunder denken, aber ich kann es nicht.  Wenn ich an deinen Rauch denke, dann fühle ich, wie mich eine gewisse Dunkelheit beschleicht. Es ist, als wäre niemand mehr da auf der Welt, an den ich mich wenden könnte. Dein Rauch hat mir die äußerste Einsamkeit gezeigt, Don Juan.«
    »Das ist nicht wahr. Nimm mich, zum Beispiel. Der Rauch ist mein Verbündeter, und  ich empfinde keine solche Einsamkeit.«
    »Aber du bist anders; du hast deine Furcht besiegt.«
    Don Juan klopfte mir freundschaftlich auf die Schulter. »Du hast keine Angst«, sagte er milde. In seiner Stimme lag ein eigenartiger Vorwurf.
    »Belüge ich dich wegen meiner Furcht, Don Juan?«
»Was kümmern mich Lügen«,  sagte er ernst. »Es geht mir um etwas anderes. Der Grund, warum du nicht lernen willst, ist nicht deine Angst. Es ist etwas anderes.« Ich bestürmte ihn, mir zu sagen, was es sei. Ich bat ihn eindringlich, aber er sagte nichts; er schüttelte seinen Kopf, als könnte er nicht glauben, daß ich es nicht wußte. Ich sagte ihm, vielleicht sei es die Trägheit, die mich vom Lernen abhielt. Er fragte mich nach der Bedeutung des Wortes Trägheit. Ich las ihm aus meinem Lexikon vor: »Die Neigung der Materie, in Ruhe zu bleiben, wenn sie sich in Ruhe befindet, oder, wenn sie in Bewegung ist, in derselben Richtung in Bewegung zu bleiben, sofern keine äußere Kraft hinzutritt.«
»Sofern keine äußere Kraft hinzutritt«, wiederholte er. »Das ist das beste, was du gesagt hast. Ich sagte dir schon, nur ein Verrückter würde versuchen, auf eigene Faust ein Wissender zu werden. Ein nüchtern denkender Mensch muß dazu überlistet werden.«
    »Ich bin sicher, daß Tausende sich mit Begeisterung darum bemühen würden«, sagte ich.
    »Ja, aber die zählen nicht. Die haben meistens einen Sprung. Sie sind wie Flaschenkürbisse, von außen schön anzusehen und trotzdem undicht, sobald man sie belastet, sobald man sie mit Wasser füllt.«
    »Einmal habe ich dich bereits zum Lernen überlistet, genau wie mein Wohltäter mich überlisten mußte. Sonst hättest du nicht soviel gelernt, wie du es getan hast. Vielleicht ist es an der Zeit, dich nochmals zu überlisten.«
    Die List, auf die er anspielte, war einer der wichtigsten Augenblicke meiner Lehrzeit gewesen. Das lag Jahre zurück, doch in meinem Gedächtnis war es so lebendig, als sei es heute gewesen. Durch ein sehr geschicktes Manöver hatte Don Juan mich damals zu einer direkten und beängstigenden Konfrontation mit einer Frau gezwungen, die im Ruf stand, eine Zauberin zu sein. Der Zusammenstoß führte bei ihr zu einer tiefen Feindschaft. Don Juan nützte meine Furcht vor der Frau aus, um mich zu einer Fortsetzung der Lehrzeit zu bewegen, indem er behauptete, ich mußte mehr über die Zauberei lernen,

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