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Eine andere Wirklichkeit. Neue Gespräche mit Don Juan

Eine andere Wirklichkeit. Neue Gespräche mit Don Juan

Titel: Eine andere Wirklichkeit. Neue Gespräche mit Don Juan Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Carlos Castaneda
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hörte ich Stimmen. Ich lief den Abhang zur Straße hinab und sah, wie sich drei Mexikaner an meinem Wagen zu schaffen machten, zwei Männer und eine Frau. Einer der Männer saß auf der vorderen Stoßstange. Er war etwa Ende dreißig, mittelgroß und hatte schwarzes, krauses Haar. Er trug ein Bündel auf dem Rücken und war mit einer alten Hose und einem verwaschenen rosa Hemd bekleidet. Seine Schuhe waren nicht zugeschnürt und wahrscheinlich zu groß. Sie schienen locker und unbequem zu sitzen. Der Schweiß lief nur so an ihm herunter. Der zweite Mann stand etwa zehn Meter vom Auto entfernt. Er war zierlicher und kleiner als der andere, sein Haar war glatt und nach hinten gekämmt. Er trug ein kleineres Bündel und war älter, vielleicht Ende Vierzig. Seine Kleidung war in einem besseren Zustand. Er hatte ein dunkelblaues Jackett an, hellblaue Hosen und schwarze Schuhe. Er schwitzte überhaupt nicht und machte einen abwesenden, desinteressierten Eindruck.
    Die Frau mußte ebenfalls um die Vierzig gewesen sein. Sie war dick und von sehr dunkler Hautfarbe. Sie trug schwarze Caprishorts, einen weißen Pullover und schwarze, spitze Schuhe. Sie hatte kein Bündel dabei, hielt aber ein Kofferradio in der Hand. Sie schien sehr müde zu sein, und ihr Gesicht war mit Schweißperlen bedeckt.
    Als ich mich ihnen näherte, sprachen der junge Mann und die Frau mich an. Sie wollten mitgenommen werden. Ich sagte ihnen, ich hätte keinen Platz im Wagen. Ich zeigte ihnen, daß der Rücksitz voll beladen war und daß der Platz tatsächlich nicht reichte. Der Mann schlug vor, daß sie, wenn ich langsam führe, auf der hinteren Stoßstange oder dem vorderen Kotflügel mitfahren könnten. Diesen Gedanken hielt ich für abwegig. Sie brachten ihre Bitte jedoch so dringend vor, daß es mir wirklich leid tat und mich verlegen machte. Ich gab ihnen etwas Geld, damit sie mit dem Bus fahren konnten. Der jüngere Mann nahm die Scheine und bedankte sich, aber der ältere wandte sich geringschätzig ab. »Ich will mitgenommen werden«, sagte er. »Ich will kein Geld.«
    Dann drehte er sich zu mir. »Können Sie uns etwas zu essen geben oder haben Sie etwas Wasser für uns?« fragte er. Ich hatte wirklich nichts dabei. Einen Augenblick standen sie da und sahen mich an, dann gingen sie davon. Ich stieg in mein Auto und versuchte den Motor anzulassen. Es war sehr heiß, der Motor war offenbar abgesoffen. Als er das mahlende Geräusch des Anlassers hörte, blieb der jüngere Mann stehen, kam zurück und stellte sich hinter den Wagen, bereit mich anzuschieben. Ich fürchtete mich und konnte vor Aufregung kaum noch atmen. Endlich sprang der Motor an und ich brauste davon.
    Als ich diese Erzählung beendet hatte, blieb Don Juan lange nachdenklich sitzen. »Warum hast du mir nicht früher davon erzählt?« fragte er, ohne mich anzusehen. Ich wußte nicht, was ich sagen sollte. Ich zuckte die Schultern und meinte, ich sei nie auf die Idee gekommen, daß diese Geschichte so wichtig sei. »Sie ist verdammt wichtig!« sagte er. »Vicente ist ein Zauberer ersten Ranges. Wenn er dir etwas zum Einpflanzen gab, dann hatte er seine Gründe. Und wenn du drei Leuten begegnet bist, die anscheinend aus dem Nichts aufgetaucht waren, gleich nachdem du die Pflanze eingepflanzt hattest, dann geschah auch dies nicht ohne Grund. Aber nur ein Narr wie du kann diesen Zwischenfall einfach so abtun und glauben, er sei unwichtig.«
    Er wollte genau wissen, was sich bei meinem Besuch bei Don Vicente zugetragen hatte.
    Ich erzählte ihm, wie ich damals durch die Stadt gefahren und am Marktplatz vorbeigekommen war und plötzlich auf die Idee kam, Don Vicente zu besuchen. Ich ging auf den Markt, und zwar in den Teil, wo die Heilkräuter verkauft wurden. Es gab dort drei Stände in einer Reihe, aber sie gehörten drei dicken Frauen. Ich ging bis zum Ende des Mittelganges und fand, gleich um die Ecke, einen weiteren Stand. Dort sah ich einen hageren, zierlichen, weißhaarigen Mann. Er verkaufte gerade einer Frau ein Vogelbauer. Ich wartete, bis er wieder allein war, und fragte ihn dann, ob er Don Vicente Medrano kannte. Er sah mich an ohne zu antworten. »Was willst du von diesem Vicente Medrano?« fragte er schließlich. Ich sagte, ich sei gekommen, um ihn im Auftrag seines Freundes zu besuchen, und nannte Don Juans Namen. Der alte Mann betrachtete mich einen Augenblick und sagte dann, er sei Vicente Medrano und stehe mir zur Verfügung. Er forderte mich auf, Platz zu nehmen.

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