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Eine andere Wirklichkeit. Neue Gespräche mit Don Juan

Eine andere Wirklichkeit. Neue Gespräche mit Don Juan

Titel: Eine andere Wirklichkeit. Neue Gespräche mit Don Juan Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Carlos Castaneda
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um mich gegen ihre magischen Angriffe zu schützen. Die Ergebnisse seiner »List« waren schließlich so überzeugend, daß ich aufrichtig glaubte, es bliebe mir nichts anderes übrig, als soviel wie möglich zu lernen, wenn ich am Leben bleiben wollte. »Wenn du wieder vorhast, mich mit Hilfe dieser Frau in Panik zu versetzen, dann werde ich einfach nicht mehr wiederkommen«, sagte ich. Don Juans Lachen klang sehr belustigt. »Mach dir keine Sorgen«, sagte er beruhigend. »Eine List, die an deine Furcht appelliert, wirkt bei dir nicht mehr. Du hast keine Angst mehr. Aber wenn nötig, kannst du überlistet werden, egal wo du dich befindest; dazu brauchst du nicht hierzusein.«
    Er schob die Arme unter den Kopf und legte sich zum Schlafen nieder. Ich arbeitete an meinen Aufzeichnungen, bis er einige Stunden später erwachte. Inzwischen war es schon beinah dunkel geworden. Als er bemerkte, daß ich schrieb, setzte er sich auf und fragte mich lächelnd, ob ich mich aus meinem Problem hinausgeschrieben hätte.
23. Mai 1968
    Wir sprachen über Oaxaca. Ich erzählte Don Juan, daß ich einmal an einem Markttag  in dieser Stadt gewesen sei, ein Tag, an dem die Indianer aus der ganzen Gegend in
    die Stadt herbeiströmen, um Nahrungsmittel und allen möglichen Kleinkram zu  verkaufen. Ich erwähnte, daß mir besonders ein Mann aufgefallen war, der Heilpflanzen verkaufte. Er trug eine hölzerne Kiepe auf dem Rücken, in der er eine Reihe kleiner Büchsen mit getrockneten Pflanzen hatte, und stand mitten auf der Straße, hielt eine Büchse in der Hand und rief in einem sehr eigenartigen Singsang:
    »Hier hab ich etwas gegen Flöhe, Fliegen, Moskitos und Läuse.
    Auch für Schweine, Pferde, Ziegen und Kühe.
    Hier hab ich etwas gegen alle Krankheiten der Menschen.
    Gegen Mumps, Masern, Rheuma und Gicht.
    Und hier etwas für Herz, Leber, Magen und Lenden.
    Treten Sie näher, meine Damen und Herren. Hier hab ich etwas gegen Flöhe, Fliegen, Moskitos und Läuse.«
    Ich hatte ihm lange zugehört. Seine Besonderheit bestand darin, daß er eine lange Liste menschlicher Krankheiten aufzählte, gegen die er ein Mittel zu haben behauptete; er rhythmisierte seinen Singsang, indem er jeweils nach einer Gruppe von vier Namen eine Pause machte.
    Don Juan sagte, auch er hätte in seinen jungen Jahren Kräuter auf dem Markt in Oaxaca verkauft. Er konnte den Spruch, mit dem er sie anpries, noch immer auswendig und sang ihn mir vor. Er erzählte, daß er und sein Freund Vicente damals Kräutersäfte gebraut hätten.
    »Diese Säfte waren wirklich gut«, sagte Don Juan. »Mein Freund Vicente machte großartige Pflanzensäfte.« Ich erzählte Don Juan, daß ich auf einer meiner MexikoReisen seinem Freund Vicente einmal begegnet sei. Don Juan schien überrascht und wollte mehr darüber wissen.
    Ich fuhr damals durch Durango und erinnerte mich, daß Don Juan mir einmal gesagt hatte, ich sollte seinen Freund besuchen, der dort lebte. Ich suchte ihn, fand ihn und unterhielt mich einige Zeit mit ihm. Bevor ich abfuhr, überreichte er mir einen Beutel mit Pflanzen und gab mir genaue Anweisungen, wie ich eine davon einpflanzen sollte.
    Auf dem Weg nach Aguas Calientes hielt ich an. Ich versicherte mich, daß niemand in der Nähe war. Mindestens zehn Minuten lang beobachtete ich die Straße und die Umgebung. Es waren weder Häuser noch am Straßenrand grasende Kühe zu sehen. Auf einem kleinen Hügel hielt ich an. Von dort aus konnte ich die Straße vor und unter mir überblicken. In beiden Richtungen, soweit ich sehen konnte, war sie menschenleer. Ich wartete ein paar Minuten, um mich zu orientieren und um mir Don Vicentes Anweisungen ins Gedächtnis zu rufen. Ich nahm eine der Pflanzen, ging in ein Kakteenfeld, das sich östlich der Straße erstreckte, und pflanzte sie so ein, wie Don Vicente mir aufgetragen hatte. Ich hatte eine Flasche Mineralwasser dabei, mit der ich die Pflanze begießen wollte. Ich versuchte sie zu öffnen, indem ich den Deckel mit einer Eisenstange abschlug, aber die Flasche zersplitterte und eine Glasscherbe schlug gegen meine Oberlippe, so daß sie blutete. Ich ging zu meinem Wagen zurück, um eine weitere Flasche zu holen. Gerade als ich sie aus dem Kofferraum nahm, hielt ein VW-Bus an und der Fahrer fragte, ob ich Hilfe brauchte. Ich sagte, daß alles in Ordnung sei, und so fuhr er weiter. Ich ging zurück, begoß die Pflanze und wollte dann zum Wagen zurückkehren. Als ich noch etwa dreißig Meter davon entfernt war,

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