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Eine andere Wirklichkeit. Neue Gespräche mit Don Juan

Eine andere Wirklichkeit. Neue Gespräche mit Don Juan

Titel: Eine andere Wirklichkeit. Neue Gespräche mit Don Juan Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Carlos Castaneda
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beleuchtete Straße hinausgehen, bis es Zeit zum Zubettgehen sei. »Oh!« sagte er ungläubig, »ich dachte, du hättest gelernt, die Dunkelheit zu nutzen.«
»Wozu kann man sie nutzen?« fragte ich. Er sagte, die Dunkelheit - er nannte sie »die Dunkelheit des Tages« — sei die beste Zeit, um zu sehen. Er betonte das Wort sehen mit einer eigenartigen Modulation. Ich wollte wissen, was er damit meinte, aber er sagte, es sei schon zu spät, dieses Thema noch anzuschneiden.
22. Mai 1968
    Sobald ich in der Frühe erwachte, erzählte ich Don Juan ohne weitere Einleitung, daß ich ein System zur Erklärung dessen, was bei einem Peyotetreffen, einem mitote stattfand, entworfen hatte. Ich zog meine Aufzeichnungen hervor und las ihm vor, was ich geschrieben hatte. Er hörte geduldig zu, während ich mich abmühte, meine Gedanken zu erläutern.
    Ich sagte, ich sei der Ansicht, daß es eines geheimen Führers bedürfe, um die Teilnehmer anzuleiten, nur so könnten sie zu einer entsprechenden Übereinkunft gelangen. Ich führte aus, daß die Leute an einem mitote teilnahmen, um die Gegenwart Mescalitos zu erleben und sich von ihm über die richtige Lebensweise belehren zu lassen; und daß diese Leute untereinander kein einziges Wort noch eine Gebärde austauschten und sich dennoch über die Anwesenheit Mescalitos und seine jeweilige Belehrung einig waren. Zumindest galt das offenbar für die mitotes, die ich miterlebt hatte: die Teilnehmenden waren sich einig, daß Mescalito jedem von ihnen erschienen war und ihm eine Belehrung erteilt hatte. Durch persönliche Erfahrung hatte ich festgestellt, daß die Form, in der Mescalito jeweils erschien, und die erteilte Unterweisung überraschend homogen waren, auch wenn es von Person zu Person gewisse Unterschiede gab. Ich konnte mir diese Übereinstimmung nicht anders erklären, als daß sie das Ergebnis eines subtilen und komplexen Systems von  Anspielungen und Hinweisen war. Ich brauchte nahezu zwei Stunden, um Don Juan mein System vorzulesen und zu erklären. Ich beendete meinen Vortrag damit, daß ich ihn bat, mir mit seinen eigenen Worten zu erklären, worin genau die Vorkehrungen bestanden, die zur Übereinstimmung führten.
    Als ich fertig war, schaute er mich mißbilligend an. Ich dachte, vielleicht hatte er meine Erklärung als Herausforderung aufgefaßt; offenbar war er in tiefes Nachdenken versunken. Nach einer angemessenen Pause fragte ich ihn, was er von meiner Auffassung hielt.
    Bei meiner Frage verwandelte sich sein finsterer Blick in ein Lächeln und dann brach er in ein dröhnendes Gelächter aus. Ich versuchte ebenfalls zu lachen und fragte nervös, was denn so komisch sei.
    »Du bist verrückt!« rief er. »Warum sollte sich jemand bei einer so wichtigen Gelegenheit wie einem mitote damit aufhalten, Hinweise zu geben? Glaubst du, man kann mit Mescalito herumspielen?«
    Einen Moment hatte ich das Gefühl, er wolle mir ausweichen; er ging nicht wirklich auf meine Frage ein. »Warum sollte jemand Hinweise geben?« fragte Don Juan hartnäckig. »Du warst bei mitotes dabei. Du solltest wissen, daß dir niemand gesagt hat, was du empfinden oder tun sollst; niemand außer Mescalito selbst.« Ich bestand darauf, daß eine solche Erklärung unmöglich sei, und bat ihn abermals, mir zu sagen, wie die Übereinstimmung zustande käme.
    »Ich weiß, warum du gekommen bist«, sagte Don Juan in geheimnisvollem Ton. »Ich kann dir bei deinem Vorhaben nicht helfen, denn es gibt kein System von Anspielungen und Hinweisen.«
    »Aber wie können sich so viele Leute über die Anwesenheit Mescalitos einig sein?«
»Sie sind sich einig, weil sie sehen«-, sagte Don Juan erregt, und dann fügte er beiläufig hinzu: »Warum nimmst du nicht noch mal an einem mitote teil, um selbst zu sehen?«. Ich merkte, daß dies eine Falle war. Ich sagte nichts, sondern steckte meine Aufzeichnungen weg. Er beharrte nicht auf seiner Frage. Nach einiger Zeit bat er mich, ihn zu einem Freunde zu fahren. Dort verbrachten wir den größten Teil des Tages. Im Verlauf des Gesprächs fragte mich sein Freund John, wie es um mein Interesse für Peyote stehe. John hatte damals die Peyote-Buttons für mein erstes Erlebnis vor beinah acht Jahren besorgt. Ich wußte nicht, was ich antworten sollte. Don Juan kam mir zu Hilfe und sagte, ich machte mich gut. Auf dem Rückweg fühlte ich mich verpflichtet, eine Bemerkung über Johns Frage zu  machen, und unter anderem erwähnte ich, daß ich nicht die Absicht hätte,

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