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Eine andere Wirklichkeit. Neue Gespräche mit Don Juan

Eine andere Wirklichkeit. Neue Gespräche mit Don Juan

Titel: Eine andere Wirklichkeit. Neue Gespräche mit Don Juan Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Carlos Castaneda
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der sich innerhalb dieses fremden Systems von Sinn-Interpretationen ereignete, nur mit Hilfe der zu diesem System gehörigen Sinneinheiten erklären oder verstehen. Daher ist dieses Buch ein Report, und es sollte als Report gelesen werden. Das System, über das hier berichtet wird, war für mich unbegreiflich, daher wäre es irreführend und vermessen, wollte ich behaupten, mehr als einen Report geschrieben zu haben. Dementsprechend habe ich mich an die phänomenologische Methode gehalten und mich bemüht, das  Phänomen der Zauberei so darzustellen, wie es mir vorgeführt wurde. Als Beobachter protokollierte ich das, was ich beobachtete, und im Augenblick der Niederschrift war ich bemüht, mein Urteil hintanzustellen.

Teil l Die Vorbereitungen auf das Sehen
1.
2. April 1968
    Don Juan schaute mich kurz an und schien gar nicht überrascht, mich zu sehen, obwohl zwei Jahre vergangen waren, seit ich ihn zum letzten Mal besucht hatte. Er legte mir die Hand auf die Schulter, lächelte freundlich und sagte, ich hätte mich verändert, ich würde dick und weichlich. Ich hatte ihm ein Exemplar meines Buches mitgebracht. Ohne einleitende Worte nahm ich es aus meiner Aktentasche und reichte es ihm.
    »Das ist ein Buch über dich, Don Juan«, sagte ich. Er nahm es und ließ die Seiten wie ein Kartenspiel durch die Finger gleiten. Die grüne Farbe des Schutzumschlags und das Format des Buches gefielen ihm. Er befühlte den Einband mit der flachen Hand, wendete das Buch ein paarmal hin und her und reichte es mir zurück. Stolz wallte in mir auf. »Du sollst es behalten«, sagte ich. Er schüttelte den Kopf und lachte leise. »Lieber nicht«, sagte er und fügte mit breitem Grinsen hinzu: »Du weißt ja, wofür wir in Mexiko Papier verwenden.« Ich lachte. Ich fand seine ironische Anspielung sehr komisch. Wir saßen auf einer Bank im Park einer kleinen Stadt im Bergland von Zentralmexiko. Es war mir nicht möglich gewesen, ihm meinen Besuch im voraus anzukündigen, aber ich war sicher, daß ich ihn finden würde, und so war es auch. Ich brauchte nur kurze Zeit in dieser Stadt zu warten, bis Don Juan aus den Bergen herunterkam und ich ihn auf dem Marktplatz am Stand eines seiner Freunde traf. Don Juan erklärte mir unvermittelt, ich sei gerade rechtzeitig gekommen, um ihn nach Sonora mitzunehmen, und nun saßen wir im Park und warteten auf einen Freund von ihm, einen Mazatec-Indianer, der bei ihm wohnte. Wir warteten etwa drei Stunden. Wir unterhielten uns über verschiedene Nebensächlichkeiten, und gegen Ende des Tages, kurz bevor sein Freund eintraf, berichtete ich ihm von einigen Vorfällen, die ich vor ein paar Tagen miterlebt hatte. Auf meinem Weg zu Don Juan hatte mein Wagen am Rand einer Stadt eine Panne gehabt, und bis er repariert wurde, mußte ich drei Tage in dieser Stadt bleiben. Zwar gab es gegenüber der Autowerkstätte ein Motel, aber die Randgebiete von Städten haben für mich immer etwas Deprimierendes, daher nahm ich in einem modernen, achtstöckigen Hotel im Stadtzentrum Quartier.
    Der Hotelboy sagte mir, daß zum Haus ein Restaurant gehöre, und als ich zum Essen herunterkam, stellte ich fest, daß draußen auf dem Bürgersteig Tische standen. Sie waren recht hübsch an der Straßenecke unter einem niedrigen, flachen, modernen Ziegelgewölbe aufgestellt. Draußen war es kühl und einige Tische waren noch frei, dennoch zog ich es vor, drinnen in der stickigen Luft zu sitzen. Beim Eintreten hatte ich eine Gruppe von Schuhputzerjungen bemerkt, die draußen auf der Einfriedung vor dem Restaurant saßen, und ich war sicher, daß sie sich auf mich stürzen würden, sobald ich mich nach draußen setzte.
    Von meinem Platz konnte ich die Jungen durch die Fensterscheiben beobachten. Ein paar junge Männer setzten sich an einen Tisch, die Jungen umringten sie sofort und boten ihnen ihre Dienste an. Die jungen Männer lehnten ab, und ich war überrascht zu sehen, daß die Jungen ohne weiteres von ihnen abließen und sich wieder auf die Einfriedung zurückzogen. Kurz danach standen drei Männer in Büroanzügen auf und gingen weg, und die Jungen rannten an ihren Tisch und machten sich über die Speisereste her; in Sekundenschnelle waren die Teller leer. Dasselbe geschah mit den Speiseresten an allen anderen Tischen.
    Ich stellte fest, daß die Kinder sich recht manierlich benahmen; wenn sie Wasser verschütteten, wischten sie es mit ihren eigenen Schuhputztüchern sofort auf. Auch fiel mir auf, wie gründlich sie beim

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