Eine betoerende Schoenheit
anatomischer Präzision zeichnen können. Es waren viel mehr die liebevolle Vertrautheit, die unbeschwerte Intimität und Süße zwischen ihnen.
„Sir“, sagte Parks. „Ihr Wasser wird kalt. Soll ich Ihnen eine andere Schüssel bringen?“
Wie lange hatte Christian vor dem Waschtisch gestanden und sehnsüchtigen Tagträumen nachgehangen, fast wie ein Dieb in Gedanken an das Kellergewölbe unter der Bank of England?
Weitere fünf Jahre waren vergangen, seitdem er Mrs Easterbrook vor dem Naturhistorischen Museum in London das letzte Mal gesehen hatte. An manchen Tag war er sich absolut sicher, seiner jugendlichen Obsession entwachsen zu sein. An einem dieser Tage hatte er seiner Stiefmutter versprochen, nach den Vorträgen in Harvard und Princeton die gesamte Saison über in London zu bleiben – um seiner Pflicht nachzukommen und sich eine Ehefrau zu suchen.
Mrs Easterbrook, die eine unverheiratete Schwester hatte, würde mit Sicherheit in London sein. Als deren Anstandsdame würde sie viele Veranstaltungen besuchen, bei denen auch seine Anwesenheit erwartetet werden würde. Es konnte sogar dazu kommen, dass er allein der Höflichkeit wegen mit ihr sprechen musste.
„Euer Gnaden?“, fragte Parks erneut.
Christian machte einen Schritt weg vom Waschtisch. „Tun Sie, was Sie für angebracht halten.“
„Sie sieht atemberaubend aus, findest du nicht?“, fragte Venetia Millie.
Für den Vortrag des Herzogs hatte Helena ein Promenadenkleid aus dunkelgrünem Samt angezogen. Millies Zofe Bridget stand hinter Helena, um dafür zu sorgen, dass die Falten des Rocks richtig fielen.
„Sie sieht fantastisch aus“, stimmte Millie ihr sofort zu. „Ich liebe es, wenn Rothaarige Grün tragen.“
Venetia drehte sich zu Millie um. „Lass mich hinzufügen, dass auch du sehr gut aussiehst.“ Das Senfgelb, in dem Millies Kleid gehalten und das für die meisten Frauen nicht tragbar war, erwies sich als vorteilhaft und ließ sie frisch und ungewohnt gut aussehen. „Der Herzog wird daraus schließen, dass ich eine treu sorgende Schwester und Schwägerin und ehrenhafte Frau bin. Dann wird er mich auf der Stelle auffordern, Kuratorin seines Museums zu werden.“
Helena schüttelte den Kopf. „Immer diese Fossilien.“
Venetia lächelte breit. „Immer.“
Sie war äußerst hoffnungsvoll, auch wenn es keinen Grund dafür gab. Allerdings hatten sie sich in der vergangenen Woche gut unterhalten, waren durch das Hinterland von Connecticut und zu den malerischen Inseln Martha’s Vineyard und Nantucket gereist. Helena schien seit langer Zeit wieder mehr sie selbst zu sein. In Venetia weckte das die Hoffnung, dass sie am Ende ihrer Reise voll und ganz begreifen würde, wie sehr sie vom rechten Weg abgekommen war.
Helena war weder flatterhaft noch gedankenlos. Sie konnte Menschen normalerweise sogar sehr gut einschätzen.
Nach ihrer ersten Begegnung mit Millie, bei der Letztere kaum mehr als zehn Worte gesagt hatte, hatte Helena Venetia versichert: Fitz ist ein Glückspilz. Sie wird ihm eine gute Ehefrau sein. Millie hatte sich als beste Ehefrau erwiesen, die ein Mann sich nur wünschen konnte.
Zudem hatte Venetia Helena an einem denkwürdigen Tag vor so vielen Jahren, als sie frisch verliebt war, natürlich auch dazu gedrängt, ihre Meinung über Tony zu äußern. Helena hatte widerwillig geantwortet, dass er „eine gewisse innere Stärke“ vermissen ließe.
Wie recht sie gehabt hatte. Was es doppelt so schockierend machte, dass ausgerechnet sie sich auf eine Weise verhielt, mit der sie ihre gesamte Zukunft aufs Spiel setzte.
Bridget, die mit ihrem Werk an Helenas Kleid zufrieden war, wandte sich an Millie.
„Benötigen Sie noch etwas, Ma‘am?“
„Nein, nimm dir ruhig den Rest des Tages frei.“
„Danke, Ma‘am.“
Sie hatten auf diese Reise nur Bridget mitgenommen. Venetias Zofe Hattie litt unter heftiger Seekrankheit und war daher zu Hause geblieben. Helenas Zofe hatte vor einem Jahr gekündigt, um zu heiraten, und war nie ersetzt worden.
Venetia hatte damals nicht viel darüber nachgedacht – Helena wohnte normalerweise entweder bei Venetia oder Fitz und Millie, und es war Hattie oder Bridget ein Leichtes, sich auch um sie zu kümmern. Nun fragte sie sich, ob Helena dieses Versäumnis mit Absicht begangen hatte. Ohne eine Kammerzofe ständig in ihrer Nähe gab es eine Person weniger, die über ihr Tun und Lassen Bescheid wusste.
Hatte Helena ihre Affäre geplant und vorher Schritt für Schritt die
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