Eine bezaubernde Erbin
Und er war so schlank und kantig – und stark, denn er hob sie einfach hoch und wirbelte sie herum.
„Gut gemacht, altes Mädchen. Gut gemacht!“
Sie lachte laut und schlug ihm auf die Schultern, damit er sie wieder herunterließ. „Was ist passiert, nachdem ich gegangen bin? Sagen Sie schon. Ich sterbe vor Neugierde.“
„Die Sitzung wurde für eine Stunde aufgeschoben. Mr Hawkes hat mich beiseite genommen, um mich davor zu warnen, zu schnell zu viele Veränderungen forcieren zu wollen. Aber selbst Männer, die nicht zu schnell zu viel ändern wollen, haben die eine oder andere eigene Idee. Also hab ich ihm von seiner Abfüllanlage erzählt.“
„Was für eine Abfüllanlage?“
„Vor zwölf Jahren hatte er Ihrem Vater vorgeschlagen, Getränke in Flaschen ins Sortiment mit aufzunehmen. Dafür hatte er ein ausführliches Dossier für die Konstruktion einer neuen Fabrik zur Herstellung von Getränkeflaschen zusammengestellt. Der Standort, der Bauplan für das Gebäude und die Entwürfe für die Maschine waren alle vorhanden. Er hatte sogar ein Rezeptbuch und verschiedene Prototypendesigns für die Flaschen beigefügt, die er verwenden wollte.
Er muss ziemlich enttäuscht gewesen sein, als sein Vorschlag abgelehnt wurde. Also habe ich ihm gesagt, dass er jetzt, wo ich der Geschäftsführer bin, seine Abfüllanlage haben wird – und das schon sehr bald. Norwich & Sons sind Bankrott gegangen, als sie eine Abfüllanlage errichten wollten. Ich habe ihn wissen lassen, dass ich sie mit meinem eigenen Vermögen kaufen und auf den Betrieb überschreiben werde, sozusagen als Willkommensgeschenk.“
„Er ist nicht argwöhnisch geworden, oder?“
„Nein, er hat mich angesehen, als wäre ich ein alter Freund – der einzige auf der Welt, der ihn versteht. Er hat mir den Rest des Tages sehr geholfen, und jetzt haben wir eine Ideenliste, die so lang ist, wie ich groß bin. Und es wird eine große Anzahl neuer Produkte geben, die wir testen müssen, wenn Sie sich das nächste Mal mit ihnen treffen.“
Er umarmte sie noch einmal. „Ich kann gar nicht sagen, wie sehr ich mich freue, dass alles so gut gelaufen ist. Ohne Sie und Ihre Hilfe hätte ich das nicht geschafft.“
Sie war stolz – auf sie beide. „Sie haben sich selbst sehr gut geschlagen.“
Es klopfte an der Tür. Es war ihr Butler, der das Kaffeeservice brachte.
„Wollen wir für Sie eine Flasche Champagner köpfen?“, fragte Lord Fitzhugh.
„Nein“, sagte sie, „Kaffee genügt völlig.“
Wasser hätte ihr völlig genügt.
Sie goss ihnen den Kaffee ein. Er hob seine Tasse. „Auf eine Zukunft, die wir uns selbst aufbauen.“
Sie stießen mit den Tassen an. „Unsere eigene Zukunft“, wiederholte sie.
Und wünschte sich inbrünstig, dass es stimmte.
KAPITEL 10
1896
Die Einladung – oder eher Vorladung – kam in letzter Minute, am Morgen des Balls.
Millie wollte gerade nachsehen, wie Helenas Anprobe verlief, als ein Diener ihr auf einem silbernen Serviertablett eine Nachricht brachte. Sie erkannte den Umschlag an dem ins Papier geprägten Stiel einer Rose in der unteren, rechten Ecke: Mrs Englewood.
Sie zog sich zum Lesen in einen leeren Raum zurück.
Liebe Lady Fitzhugh,
ich bin die Erste, die zugeben wird, dass es schrecklich schlechter Stil ist, um ein Treffen zu bitten, da wir einander ja nie vorgestellt wurden. Allerdings wissen wir beide sehr wohl voneinander und können wohl auf überflüssige Formalitäten verzichten.
Lassen Sie mich bitte wissen, ob ich Sie heute Nachmittag um 2 Uhr empfangen darf.
Mit verbindlichen Grüßen
Mrs John Englewood
Die Bitte kam nicht völlig unerwartet. Sie und Mrs Englewood waren schließlich keine Hündinnen, die sich knurrend um einen Knochen stritten. Es ziemte sich für sie, sich eines Tages zusammen an einen Tisch zu setzen und ganz zivilisiert über die Vereinbarung zu reden. Aber für Millie war dieser Tag noch nicht gekommen, sie hatte noch fünf Monate Zeit.
Mrs Englewood war offenkundig anderer Meinung.
Der Ball lieferte Millie natürlich die perfekte Entschuldigung – sie war viel zu beschäftigt –, aber sie würde das Treffen nicht ablehnen. Sie hatte ihre Lektion gelernt, als sie etwas acht Jahre lang vor sich hergeschoben hatte, was sie hätte sofort erledigen sollen. Wenn das Treffen irgendwann sein musste, dann sollte es eben heute sein.
Selbst wenn heute der Tag war, an dem Fitz wirklich ihr Ehemann wurde.
Dann sogar ganz besonders.
Wären Mrs Englewood und Fitz
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