Eine bezaubernde Erbin
zitterte ein wenig. „Meine Herren, vielen Dank, dass Sie heute Morgen hergekommen sind. Es ist mir eine Freude, Sie alle im selben Raum versammelt zu sehen. Ich bin sicher, dass es Sie genauso bekümmert wie mich, dass mein Vater nicht länger auf diesem Stuhl sitzt, aber es ist nun einmal Gottes Wille, und wir müssen damit zurechtkommen, so gut es geht.
Wie Sie wissen, hat er mir Cresswell & Graves hinterlassen. Ich bin jung und unerfahren und habe Sie daher hierher gebeten, in der Hoffnung, dass Sie mich beraten und mir sagen, wie wir in Zukunft am besten verfahren sollten.“
Es war äußerst wichtig, dass sie sich nicht als Eindringling präsentierte, auch wenn sie die rechtmäßige Besitzerin war, denn sie war bloß eine Frau und ihr Ehemann nur ein feiner Herr, der sich lediglich aufs Polospiel und die Jagd verstand.
Mr Hawkes, ein verhutzelter alter Mann, der der treue Stellvertreter ihres Großvaters gewesen war und nicht länger am Tagesgeschäft beteiligt war, bemerkte: „Vielleicht wäre es das Beste für Sie, Lady Fitzhugh, wenn Sie dem Geschäft fern blieben. Der Platz einer Frau ist zu Hause.“
Helena hätte gefragt, ob der Mann jemals von Königin Elizabeth gehört hatte, die England besser regiert hatte als jeder Mann vor oder nach ihr. Aber Fitz‘ Frau nickte nur schüchtern.
„Sie sprechen mir aus der Seele, Sir. Es ist eine schwierige Aufgabe, ein Unternehmen wie das unsere in die richtige Richtung zu lenken, und es bedarf großen Scharfsinns und viel Erfahrung. Mir wäre es auch viel lieber, könnte ich mich in die Behaglichkeit und Abgeschiedenheit meines Heimes zurückziehen. Doch ich bin die letzte Graves und als solche wäre es eine entsetzliche Vernachlässigung meiner Pflichten, würde ich Cresswell & Graves den Rücken kehren.“
Sie sagte das mit stählerner Ergebung, eine junge Märtyrerin, die ihrem Schicksal gelassen und mutig entgegenschritt, denn sie wusste, dass sie das Richtige tat.
Durch das wochenlange Einstudieren wusste Fitz bereits, dass sie eine gute Schauspielerin war, aber nicht alle Schauspieler glänzten auf der Bühne wie bei den Proben. Er hatte gesehen, wie Klassenkameraden während der Schulaufführungen von Lampenfieber übermannt wurden, ins Schwitzen gerieten und ihren Text vergaßen. Aber er hätte sich keine Sorgen zu machen brauchen. Sie übertraf sich selbst.
Mr Hawkes wirkte bestürzt. Es war völlig in Ordnung, dass er einer Frau sagte, wo ihr Platz war, aber angesichts solch pflichtbewusster Weiblichkeit konnte er auf keinen Fall behaupten, ihr Vater habe einen Fehler begangen, als er seine Firma seinem einzigen Kind vermacht hatte.
Mr Hawkes ehemaliger Protegé und gegenwärtiger Rivale im Kampf um Einfluss, Mr Mortimer, ein fast völlig kahlköpfiger, rundlicher Mann Ende vierzig, erklärte: „Ich glaube, Lady Fitzhugh, dass es das Beste wäre, wenn Sie sich weiterhin ihrem Haushalt und Ihren wohltätigen Arbeiten widmeten. Und wir werden Sie über unsere Entscheidungen in Kenntnis setzen – sagen wir, einmal im Jahr.“
„Das ist äußerst freundlich von Ihnen, Mr Mortimer. Ich wusste immer, dass ich mich darauf verlassen kann, dass die Herren in diesem Raum sich gut um meine Interessen kümmern werden. Da Sie nun einmal so selbstlos sind, sehe ich keinen Grund, warum ich nicht vierteljährlich ein paar Tage den Geschäften von Cresswell & Graves widmen könnte. Ich schäme mich aber ein wenig wegen der Unzulänglichkeit meines Einsatzes. Ich bin mir sicher, mein Vater wünschte sich, ich würde mich stärker engagieren. Mit monatlichen Besprechungen vielleicht.“
„Oh, ich denke, vierteljährliche Besprechungen werden vollkommen ausreichen“, warf Mr Mortimer hastig ein.
Die anderen Männer am Tisch teilten seine Meinung. Fitz unterdrückte ein Lächeln. Von jährlich zu vierteljährlich, ohne auch nur auf Widerstand zu stoßen. Seine Frau steckte sie langsam und sanft in die Tasche – ohne auch nur im Geringsten Verdacht zu erwecken, was sie da tat.
„Ich bin so verbunden für Ihre Bestätigung, meine Herren. Ich fühle mich bei Ihnen sehr gut aufgehoben, und dafür danke ich Ihnen. Aber es gibt noch etwas, was mir am Herzen liegt, und das ist die Wahl eines Primus inter pares. Als mein Vater noch lebte, nahm er diese Stellung ein. Sie sind ein Dutzend Kollegen, haben aber keinen, der Sie führt. Mein Leben ist bisher sehr behütet gewesen, aber selbst ich weiß, dass sich eine Gruppe ohne Führung, ganz gleich wie brillant
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