Eine Billion Dollar
intus hatte, meisterte er diese Hürde geradezu elegant. Als er am nächsten Morgen mit schmerzendem Kopf in einem fremden Bett aufwachte und eine schwarze, lockige Mähne neben sich auf den Kissen entdeckte, erinnerte er sich zwar nicht mehr an alle Einzelheiten, aber er schien die Prüfung bestanden zu haben. So zog er unter den Tränen seiner Mutter zu Hause aus und bei Sarah ein, die westlich des Central Parks eine kleine, zugige Wohnung von ihren Eltern geerbt hatte. Sarah Brickman war Künstlerin. Sie malte große, wilde Bilder in düsteren Farben, die niemand haben wollte. Ungefähr einmal im Jahr stellte sie ein oder zwei Wochen lang in einer der Galerien aus, die dafür von den Künstlern Geld nehmen, verkaufte jedes Mal nichts oder nicht genug, um wenigstens die Galerie zu bezahlen und war danach tagelang nicht ansprechbar.
John fand einen Abendjob in einer nahe gelegenen Wäscherei, lernte Hemden für die Dampfmangel zusammenzulegen und verbrühte sich in der ersten Woche beide Hände, aber es reichte, um die Stromrechnung zu zahlen und das Essen. Eine Weile versuchte er im College mitzuhalten, doch der Weg bis dahin war jetzt weit und dauerte lange, zudem wusste er immer noch nicht, wozu das alles gut sein sollte, und so gab er es irgendwann auf, ohne seinen Eltern etwas davon zu sagen. Sie erfuhren es ein paar Monate später, was zu einem heftigen Krach führte, in dessen Verlauf mehrmals der Begriff »Hure« in Zusammenhang mit Sarah fiel. Daraufhin meldete John sich lange Zeit nicht mehr bei seiner Familie. Es beeindruckte ihn, Sarah in farbbeschmiertem Kittel und mit verkniffenem Gesicht an der Staffelei hantieren zu sehen. Abends schleppte sie ihn in verrauchte Kneipen in Greenwich Village, wo sie mit anderen Künstlern über Kunst und Kommerz diskutierte und er kein Wort verstand, was ihn ebenfalls beeindruckte und das Gefühl in ihm erregte, endlich den Anschluss an das wahre Leben gefunden zu haben. Sarahs Freunde allerdings waren nicht so ohne weiteres bereit, ihren Anschluss an das wahre Leben mit einem dahergelaufenen Grünschnabel zu teilen. Sie lachten abfällig, wenn er etwas sagte, überhörten ihn oder verdrehten die Augen, wenn er eine Frage stellte: Für sie war er nichts weiter als Sarahs Liebhaber, ihr Anhängsel und Kuscheltier.
Der Einzige, mit dem er in dieser Clique reden konnte, war ein Leidensgefährte, Marvin Copeland, der mit einer anderen Malerin namens Brenda Carrington zusammen war. Marvin lebte in einer Wohngemeinschaft in Brooklyn, schlug sich als Bassgitarrist in verschiedenen erfolglosen Bands durch, feilte an eigenen Songs, die niemand spielen wollte, verbrachte viel Zeit damit, aus dem Fenster zu schauen oder Marihuana zu rauchen, und es gab keine verrückte Idee, an die er nicht glaubte. Dass die Roswell-Aliens von der Regierung in der AREA 5l versteckt gehalten wurden, war für ihn ebenso ausgemachte Sache wie die Heilkräfte von Pyramiden und Edelsteinen. Dass Elvis noch lebte, das war so ungefähr das Einzige, was er ernsthaft bezweifelte. Es war zumindest immer kurzweilig, sich mit ihm zu unterhalten.
Es kam regelmäßig zu Streits, wenn John eines von Sarahs Bildern, das in ihren Augen misslungen war, gut fand oder gar umgekehrt. Schließlich beschloss er herauszufinden, nach welchen Kriterien man Gemälde eigentlich als gut oder schlecht einstufte. Da er bisher kein Wort verstanden hatte von dem, wovon Sarah und ihre Freunde überhaupt sprachen, begann er, Bücher über Kunst zu lesen und ganze Tage im Museum of Modern Arts zu verbringen, wo er sich in Führungen schmuggelte, bis man ihn wieder erkannte und anfing, peinliche Fragen zu stellen. Während er den Erklärungen zu den Bildern ebenso hingebungsvoll wie verständnislos lauschte, keimte der Gedanke in ihm, die Malerei könne die Richtung in seinem Leben sein, die er immer gesucht hatte. Wie hätte er sie auch früher finden sollen, als Sohn eines Schuhmachermeisters, mit Brüdern, die Finanzbeamte und Kampfjetpiloten waren? Er begann zu malen.
Das war, wie er später erkennen sollte, keine gute Idee. Er hatte erwartet, dass Sarah sich freuen würde, doch sie kritisierte auf schmerzhafte Weise alles, was er zuwege brachte, und spottete vor ihren Freunden über seine Bemühungen. John zweifelte nicht daran, dass jedes Wort gerechtfertigt war, steckte alle Kritik demütig ein und nahm sie zum Anlass, noch härter zu arbeiten. Er hätte gern Unterricht genommen, doch das konnte er sich weder finanziell
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