Eine Billion Dollar
noch zeitlich leisten.
Eine Zeit lang kam, nachts um vier Uhr und von Werbepausen zerhackstückt, ein Malkurs im Fernsehen, von dem er keine Folge versäumte. Es wurde gezeigt, wie man fichtenumsäumte Waldseen malte oder Windmühlen, die sich als Schattenrisse vor prächtigen Sonnenuntergängen abhoben. Ohne eines von beidem je mit eigenen Augen gesehen zu haben, fand er, dass es ihm durchaus gelang, die Anleitungen umzusetzen, wenngleich Sarah ihn bei diesen Sujets nicht einmal mehr kritisierte, sondern nur noch mit den Augen rollte.
Eines Tages erschien in einem Szeneblatt ein kurzer Bericht über die Künstlerin Sarah Brickman und ihre Arbeiten, den sie ausschnitt, rahmte und sich stolz übers Bett hängte. Kurz darauf tauchte ein Kaufinteressent auf, ein Wall-Street-Jüngling mit pomadisierten Haaren, breit gestreiftem Hemd und Hosenträgern, der mehrmals erklärte, für ihn sei Kunst eine Investition und er wolle sich von Künstlern, die möglicherweise demnächst bedeutend würden, rechtzeitig Werke sichern. Er hielt das offensichtlich für eine geniale Idee. Sarah führte ihn durch das Atelier und zeigte ihm ihre Gemälde, mit denen er aber wenig anzufangen wusste. Erst als sein Blick auf eines von Johns frühen Bildern fiel, eine wilde, bunte Stadtsilhouette, über die Sarah nur angewidert die Nase gerümpft hatte, war er vom Fleck weg begeistert. Er bot zehntausend Dollar, und John nickte einfach nur.
Sarah schloss sich lautstark im Bad ein, kaum dass die Tür hinter Käufer und Bild ins Schloss gefallen war. John, das Geldbündel noch in der Hand, klopfte und wollte wissen, was los sei. »Ist dir klar, dass du mit einem einzigen vermurksten Bild mehr Geld verdient hast als ich in meinem ganzen Leben?«, schrie sie schließlich.
Danach war ihre Beziehung nie wieder so wie vorher und endete kurz darauf, im Februar 1990 – wie der Zufall es wollte, just an dem Tag, als die Nachricht von der Freilassung Nelson Mandelas die Medien beherrschte. Sarah erklärte John, dass es aus sei, und genau das war es dann auch. Er kam bei Marvin unter, in dessen Wohngemeinschaft gerade ein ungemütliches, schlauchartiges Zimmer frei geworden war, und dort saß er ein paar Tage später zwischen seinen paar Habseligkeiten auf dem Boden und verstand immer noch nicht, was geschehen war.
Der Verkauf der Stadtsilhouette blieb sein einziger künstlerischer Erfolg, und das Geld war schneller aufgebraucht, als er sich vorgestellt hatte. Nach dem erzwungenen Umzug hatte er den Job in der Wäscherei natürlich aufgeben müssen, und nach ein paar Wochen Herumgerenne, in denen sein Konto endgültig auf null ging, fand er endlich einen neuen Job bei einem von Indern betriebenen Pizzaservice, die als Ausfahrer vorzugsweise junge Männer italienischer Herkunft beschäftigten. Im südlichen Manhattan hieß das, sich mit dem Fahrrad durch den stets mehr oder weniger stehenden Verkehr zu schlängeln und jeden schmalen Schleichweg zwischen den Blocks zu kennen. Es war ein Job, der John straffe Beinmuskeln und durchtrainierte Lungen verschaffte und eine Art Raucherhusten von den Abgasen, die er dabei einatmen musste, aber fast nicht genug Geld zum Überleben. Nicht nur, dass er in dem Zimmer nur mit Mühe genug Platz hatte, um zu malen, und selbst an sonnigen Tagen nicht das nötige Licht, es blieb ihm auch kaum die Zeit dazu. Die Arbeit endete spät in der Nacht und erschöpfte ihn nicht selten so, dass er am nächsten Morgen schlief wie tot, bis ihn ein ausdauernd rasselnder Wecker aufs Neue nach Manhattan schickte. Jedes Mal, wenn er freinahm, um sich bei einem anderen Job vorzustellen, rutschte er durch den Verdienstausfall weiter ins Minus.
Um diese Zeit herum kam Paul Siegel zurück nach New York, mit einem ehrfurchtgebietend guten Harvard-Diplom in der Tasche und einer lukrativen Anstellung bei einer Unternehmensberatungsfirma, die quasi alle bedeutenden Firmen der Welt zu ihren Klienten zählte und ein paar Regierungen mit dazu. John besuchte ihn einmal in seiner geschmackvoll eingerichteten kleinen Wohnung in West Village und bestaunte den Ausblick über den Hudson River, während Paul ihm so gnadenlos, wie nur ein guter Freund das kann, aufzählte, was er alles falsch machte in seinem Leben.
»Zuerst musst du deine Schulden loswerden. Solange du Schulden hast, bist du nicht frei«, zählte er an den Fingern ab. »Dann musst du dir die Freiräume schaffen, neue Richtungen einschlagen zu können. Aber vor allem musst du wissen,
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