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Eine Billion Dollar

Eine Billion Dollar

Titel: Eine Billion Dollar Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andreas Eschbach
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aufzunehmen, was ich sah, denn mein Blick ging immer weiter in die Zukunft. Ich sah Kriege und Schlachten, Hungersnöte und Pestilenzen, große Männer und feigen Verrat und sah eine solche Fülle von Gesichten, dass ich sie an anderer Stelle aufgeschrieben habe, auf dass sie anderen als Wegweisung dienen mögen.
    Als ich schließlich eine Zeit erblickte, von der ich wusste, dass sie fünfhundert Jahre in der Zukunft und an der Schwelle des nächsten Jahrtausends liegt, da sah ich eine Welt, unvorstellbar prächtig und grauenerregend zugleich. Ich sah Millionen Menschen so prunkvoll leben wie die Medici und mit allerlei Geräten Dinge bewirken, die ich in dem Traume alle verstand, aber die ich heute nicht mehr zu beschreiben vermag, nur dass sie uns wie Zauberei vorkommen würden, aber das waren sie nicht, vielmehr lernten schon die Kinder, wie man sie bewirkt. Doch nicht das Paradies war es, was ich erblickte, sondern ich sah zugleich Kriege, in denen Menschen übers Land marschierten wie Ameisen und alles verheerten, die Sonne selbst herabgeschleudert wurde auf den Feind und alles in Angst erstarrte vor dieser Macht, und man hatte Angst, ein Krieg könnte ausbrechen, der die Erde selbst zerstört, so mächtig waren die Menschen geworden. Sie hatten sich von Gott abgewandt und verehrten den Mammon an seiner Stelle, doch lebten sie dadurch in schreiendem Elend und erbärmlicher Angst, und keiner von ihnen sah mehr eine Zukunft. Viele von ihnen glaubten an eine zweite Wiederkehr der Sintflut und dass das Menschengeschlecht diesmal endgültig vergehen würde, und viele von ihnen lebten ihr Leben unter der Last dieser Erwartung.
    Ich erkannte aber, dass Gott die Menschen unverbrüchlich liebt, ungeachtet ihrer Taten oder ihres Glaubens, ob sie sich von ihm abwenden oder nicht, und dass es nicht Gott ist, der die Menschen straft, sondern sie bestrafen sich zur Genüge selber, indem sie sich abwenden von der Liebe und ihr Heil in weltlichen Dingen suchen. So klar und eindrücklich erkannte ich dies, dass ich nun wünschte, ich wäre wortgewaltiger, als ich es bin, und imstande, euch durch meine Darlegung teilhaben lassen zu können an dieser herrlichen Gewissheit, allein, ich vermag es nicht.
    Ich sah danach mein eigenes Leben sich entfalten und erkannte, was Gott mit mir vorhatte. Ich sah mich das Kloster verlassen und bei einem Kaufmann in die Lehre gehen, der mich förderte und gut ausbildete und mich zu seinem Partner machte. Ich sah mich als Händler und Kaufmann nach Venedig und Rom gehen, sah die einträglichen Geschäfte und die, die ich zu meinem Glücke meiden würde, und sah, wie ich wohlhabend und reich wurde. Ich sah in diesem Traume selbst die Frau, die mir bestimmt war, und ich sah es so, wie es sich später tatsächlich ereignete. Ich sah, dass ich sechs Söhne haben und ein glückliches Leben führen würde, um das man mich wohl beneiden mag, aber ich sah auch den traurigen Augenblick, den ich all die Jahre hindurch niemals vergessen habe, da ich mein geliebtes Weib würde zu Grabe tragen müssen, und da dies nun geschehen ist, weiß ich, dass der Zeitpunkt gekommen ist, den Plan der Vorsehung zu erfüllen. Dies tue ich mit dieser Erklärung.
    Ich übereigne mein gesamtes Vermögen dem Michelangelo Vacchi zur Sorge, dass dieser es bewahren und durch Beleihen und Zinsnahme nach Kräften mehren möge, doch nicht zu seinem Eigentum bestimme ich es, sondern es soll bewahrt und vermehrt einst demjenigen übergeben werden, der an dem Tag, den man im Jahre 1995 den 23. April nennen wird, der jüngste lebende männliche Nachfahre meines Geschlechts ist, denn dieser ist ausersehen, den Menschen die verloren gegangene Zukunft wiederzugeben, und er wird dies tun mit der Hilfe dieses Vermögens. Da ich unehelich geboren ward, bestimme ich, dass auch uneheliche Kinder zu meinen Nachfahren dazugerechnet werden genauso wie ehelich geborene, nur an Kindes statt angenommene Kinder sollen nicht gelten. In meinem Traume habe ich gesehen, dass Michelangelo Vacchi, obgleich er dies heute nicht zu glauben vermag, Kinder haben wird und seine Linie in fünfhundert Jahren nicht aussterben, sondern ihre Pflicht erfüllen wird. Seine Familie darf den tausendsten Teil eines Zehnten des Vermögens behalten und alle meine Schriften. Dieses Dokument aber und dieses Vorhaben muss geheim bleiben bis zu dem genannten Tage.
     
    »… geheim bleiben bis zu dem genannten Tage«, vollendete Ursula Valen die Übersetzung des Testaments.

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