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Eine Billion Dollar

Eine Billion Dollar

Titel: Eine Billion Dollar Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andreas Eschbach
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bemühen.«
     
    Was für ein arrogantes Arschloch. Ursula Valen musterte Fontanelli. Ganz offensichtlich hielt er sich für etwas Besseres. Klar, er war ja auch der Auserwählte, das Werkzeug Gottes, der Messias quasi. Einigermaßen braun gebrannt, schlank, fast mager, und ebenso teuer wie elegant gekleidet. Aber ein Dutzendgesicht. Niemand hätte sich auf der Straße nach ihm umgedreht ohne all das. Die Erotik, die er ausstrahlte, musste wohl die Erotik des Geldes sein.
    Eine Billion Dollar standen dort im Türrahmen. Was für ein Irrsinn. Am Beispiel dieser Geschichte konnte man wieder einmal sehen, zu welch unglaublichen Leistungen Menschen fähig waren, wenn sie durch eine Vision, eine Prophezeiung, einen unbedingten Glauben eben angespornt wurden – und wie erbärmlich wenig Prophezeiungen taugten, selbst wenn sie einem gottgesandten Traum entsprungen waren.
    Aber der alte Anwalt schien auf ihrer Seite zu sein. Und die Eigentumsverhältnisse an den Dokumenten waren klar. Sie würde sich das hier nicht nehmen lassen, schon gar nicht von einem schlecht gelaunten Emporkömmling mit schlechten Manieren. Nie wieder würde sie sich etwas nehmen lassen. Sie war im real existierenden Sozialismus aufgewachsen, als Enkeltochter eines erklärten Nazis, was sie in bizarrer Sippenhaft vom gesellschaftlichen Leben ausgeschlossen hatte, von der Mitgliedschaft in der FDJ genauso wie vom Besuch der Universität. Doch dann war der Staat, der ihr das Studium der Geschichte verbieten wollte, untergegangen, und sie hatte, wenn auch mit Verspätung, doch noch studieren können. Nein, sie würde sich nicht einschüchtern lassen.
     
    Am Donnerstag der darauf folgenden Woche erschien der Stern in Deutschland mit Ursula Valens Artikel als Titelstory und erzielte die zweithöchste Auflage seiner Geschichte. Am darauf folgenden Tag wurde der Artikel von praktisch allen bedeutenden Zeitungen auf der ganzen Welt abgedruckt, und noch Monate später sollten Gutschriften von Lizenzgebühren auf Ursula Valens Konto eingehen, darunter Zahlungen in so ungewöhnlichen Währungen wie dem thailändischen Baht oder dem vietnamesischen Dong und aus so exotischen Ländern wie Nauru oder Burkina Faso. Allein die Bildrechte an ihrer Fotografie des Testaments brachten so viel Geld ein, dass sie ihr Studiendarlehen davon zurückzahlen konnte.
     
    Die Nacht war dunkler als gewöhnlich, umschlang ihn wie ein schwarzes, undurchdringliches Tuch. Keine Sterne, kein Mond, und das Geräusch der Wellen war wie der keuchende Atmen eines waidwunden Riesen.
    »Sie müssen jetzt handeln«, erklärte die dunkle Stimme aus dem Telefonhörer. »Sie können nicht länger warten und hoffen, dass Ihnen eine göttliche Eingebung den Weg weist.«
    John sah auf die Zeitung hinab, die, zerlesen und zerfleddert, auf seinem Schoß lag. Der Corriere della Sera hatte den Artikel des Stern übernommen, in dem die Leistung der Vacchis gewürdigt wurde, das Vermögen zu bewahren und zu mehren. Er, der Erbe, wurde darin als dümmlicher, ignoranter Taugenichts hingestellt, planlos, eingebildet und die Mühe nicht wert, die Generationen intelligenter, gläubiger Vacchis an ihn verschwendet hatten.
    »Sie brauchen Hilfe«, beharrte der Unbekannte. »Und niemand außer mir kann Ihnen die geben, glauben Sie mir. Es ist Zeit, dass wir uns treffen.«
    »Also gut«, sagte John. »Sie haben gewonnen. Sagen Sie mir, wo und wie.«
    »Kommen Sie nach London. Unauffällig, bitte. Ein normaler Linienflug. Sie allein.«
    John stieß einen Laut aus, der halb Seufzen und halb Lachen war. »Allein? Wie stellen Sie sich das vor? Ich kenne Sie nicht. Sie könnten ein gesuchter Massenmörder sein oder ein raffinierter Entführer.«
    »Ihre Leibwächter können Sie natürlich begleiten. Was ich damit sagen wollte, ist, dass ich mich in London nicht zu erkennen geben werde, wenn jemand der Familie Vacchi bei Ihnen ist oder die Presse von der Sache Wind bekommen hat.«
    »Einverstanden«, sagte John. War das klug? Das würde er erst hinterher wissen. Aber was riskierte er schon? Eine Flugreise, einen verlorenen Tag. Solange er nicht wusste, wie es weitergehen sollte, war ohnehin jeder Tag ein verlorener Tag.
    »Gut. Holen Sie sich etwas zu schreiben, ich sage Ihnen die Zeiten und die Nummer des Fluges durch, den Sie nehmen sollen.«
     
    Am darauf folgenden Morgen flogen John und Marco zusammen von Florenz nach Rom und von dort aus nach London.

18
    Als sie in London Heathrow ausstiegen, zwei Passagiere

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