Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Eine Billion Dollar

Eine Billion Dollar

Titel: Eine Billion Dollar Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andreas Eschbach
Vom Netzwerk:
einen wohl kaum die Siedlungsdichte allein dazu, ein Land als übervölkert zu bezeichnen. Bezeichnet man am Ende als Übervölkerung, was in Wirklichkeit schlicht Armut ist? Wären die Menschen in den Entwicklungsländern nicht so entsetzlich arm, könnten sie höhere Nahrungspreise bezahlen, und eine Mehrproduktion – die Investitionen in Maschinen und dergleichen voraussetzt – würde rentabel.
    Von einem Weltbevölkerungsproblem zu sprechen sei, schrieb der Autor, eine unzulässige Verallgemeinerung. Tatsächlich stünde schon fest, dass sich die Weltbevölkerung irgendwann auf einen gleich bleibenden Stand einpendeln werde, vermutlich zwischen zwölf und fünfzehn Milliarden Seelen, und es sei auch nicht ausgeschlossen, dass sie später wieder sinken werde – ähnliche Entwicklungen habe es, lokal begrenzt, in der Vergangenheit oft gegeben. Was als Übervölkerung empfunden werde, sei tatsächlich eher in Kategorien von Armut zu beschreiben, genauer gesagt, von Verelendung. Das Elend sei ein Symptom einer schweren Krise der Wirtschafts-und Gesellschaftssysteme. Einen »Wettlauf zwischen Storch und Pflug« zu sehen, wie ihn Robert Malthus schon im neunzehnten Jahrhundert postulierte, sei deshalb irreführend und verdummend und führe in letzter Konsequenz zur »Volk-ohne-Raum«-Ideologie des Dritten Reiches.
    John drehte das Buch hin und her, studierte die Klappentexte und die Biografie des Autors. Redete der sich hier die Lage schön, oder war das die Stimme der Vernunft in einem Meer der Hysterie? Wenn er nur keinen so dicken Kopf gehabt hätte heute Morgen. Oder, besser gesagt, wenn er nur keinen so dummen Kopf gehabt hätte! Er hatte das Gefühl, die Hälfte seines Gehirns eingebüßt zu haben, aber wo er auch in den Text hineinlas, er fand immer einen Tonfall kühler, auf Sachlichkeit bedachter Analyse. Einen vertrauenerweckenden Tonfall. Vielleicht war alles doch nicht so dramatisch?
    Er blickte überhaupt nicht mehr durch.
    Der Erbe wird einst den Menschen die Zukunft zurückgeben, die sie schon verloren hatten.
    Was stand eigentlich noch in dem Testament? Er hatte es nie genau gelesen, weil er kein Latein konnte. Auf die Idee, jemanden um Hilfe zu bitten, war er nicht gekommen.
    Aber er brauchte Hilfe. Diese Geschichte war zu groß, als dass er sie allein bewältigen konnte. Im Kino hatte er immer die coolen, hyperintelligenten Supermänner bewundert, die Tom Cruises und Arnold Schwarzeneggers, die die Last der ganzen Welt auf sich nahmen und immer genau wussten, wo es langging, die am Ende immer Recht hatten und immer gewannen. Falls es solche Gestalten im wirklichen Leben geben sollte, gehörte er jedenfalls nicht dazu.
    Er rief Eduardo an. Er bat ihn, ihn nach Florenz ins Archiv der Kanzlei zu begleiten und ihm zu helfen, das Testament zu lesen, Wort für Wort. Und was es sonst noch an Hinterlassenschaften Giacomo Fontanellis geben mochte. »Und danach wünsche ich mir, dass wir entweder zusammen essen gehen oder uns gemeinsam besaufen oder uns nach Leibeskräften verprügeln.«
    Das schien ihm zumindest ein Schmunzeln zu entlocken. Seit der Sache mit Cap­nnori hatte er sich kaum noch blicken lassen. Vielleicht ließ sich das ja wieder einrenken.
    »Wieso interessiert sich eigentlich plötzlich alle Welt für das Archiv?«, wollte Eduardo wissen. »Hab ich was verpasst? Ist heute der Internationale Tag des Alten Papiers oder so was?«
    Wie er das meine, fragte John.
    »Großvater ist heute dort mit einer Geschichtsstudentin aus Deutschland, die sich für die Prophezeiung Fontanellis interessiert. Hat er dir nichts gesagt?«
    »Nein«, erwiderte John irritiert. »Woher weiß sie überhaupt, dass so eine Prophezeiung existiert?«
    »Gute Frage, nicht wahr?«, meinte Eduardo.
     
    »Ich kann diesen alten Schmökern nichts abgewinnen, ehrlich«, gestand Eduardo auf der Fahrt nach Florenz. »Staubiges altes Papier, weiter nichts. An manchen Tagen regt es mich richtig auf, wie wir uns binden und bestimmen lassen von irgendwelchen Worten, die jemand vor fünfhundert Jahren aufgeschrieben hat – mit welchem Recht hat er erwartet, dass wir uns danach richten sollen?«
    »Keine Ahnung«, meinte John. »Im Moment klingst du jedenfalls nicht wie ein Vacchi.«
    Es war die erste Fahrt in dem gepanzerten Mercedes, den er auf dringende Empfehlung Marcos bestellt hatte. Man brauchte eine besondere Ausbildung, um so ein Fahrzeug richtig fahren zu können, deshalb saß Marco am Steuer. Alles roch noch ganz neu, nach

Weitere Kostenlose Bücher