Eine Billion Dollar
nach Luft. »Sie…?«, entfuhr es ihm, gegen seinen Willen.
»Ja. Die ursprüngliche Version des Programms, mit dem Sie Ihre Konten verwalten, habe ich geschrieben.«
Marco blätterte in einer uninteressanten Zeitschrift, behielt aber seinen Schutzbefohlenen aus den Augenwinkeln und an den Lamellen des Sichtschutzes vorbei, die die Tür nur zur Hälfte bedeckten, immer im Blick. Er sah hoch, als John Fontanelli aufsprang und anfing, in dem großen Büro herumzulaufen und zu gestikulieren. Auch McCaine fing an, umherzulaufen, was bei ihm aussah, als stampfe ein wütender Stier durch die Arena. Der Leibwächter fragte sich flüchtig, was da wohl los sein mochte. Immerhin sah es nicht so aus, als wolle einer dem anderen an die Gurgel. Er lockerte die Muskeln, die sich automatisch sprungbereit angespannt hatten, und lehnte sich wieder zurück.
»Noch einen Kaffee?«, fragte die Sekretärin, eine hübsche junge Frau mit roten, hochtoupierten Haaren und cremig-blasser Haut, der er ganz offensichtlich gefiel.
»Nein, danke«, lächelte er. »Aber vielleicht könnte ich ein Glas Wasser haben?«
»Dieser Auftrag war der Wendepunkt meines Lebens«, erklärte Malcolm McCaine. Sie saßen jetzt beide auf den Sesseln der Besprechungsecke, McCaine vornübergebeugt, die Ellbogen auf den Knien. Er ließ John nicht aus den Augen. »Die Vacchis taten von Anfang an sehr geheimnisvoll, wollten mir nicht verraten, worum es eigentlich ging. Eine Zeit lang hatte ich den Verdacht, dass sie Gelder der Mafia waschen wollten über das System, das ich zu programmieren hatte. Aber egal, was Sie verheimlichen wollen in einer Firma, wenn Sie ein Computersystem entwickeln lassen, kommt es ans Licht. Der Programmierer ist wie ein Beichtvater, ihm müssen Sie selbst das sagen, was Sie dem Finanzamt oder den Behörden der Strafverfolgung verheimlichen – denn sonst wird das Programm nicht funktionieren. Ich musste das Programm ja testen, und als eine Summe von 365 Milliarden Dollar auf dem Schirm stand, fielen mir erst einmal die Augen aus dem Kopf, das können Sie sich vielleicht vorstellen.«
»365 Milliarden?«, echote John verblüfft.
McCaine nickte. »In den etwas mehr als fünfundzwanzig Jahren seither hat sich Ihr Vermögen fast verdreifacht.«
John machte den Mund auf, aber ihm fiel nichts ein, was er darauf sagen konnte, also machte er ihn wieder zu.
»Sie mussten mir reinen Wein einschenken«, fuhr McCaine fort. »Bis dahin hatten die Vacchis sorgfältig darauf geachtet, dass alle Türen außer der zum Keller abgeschlossen waren, wenn ich im Haus war. Aber ich sagte ihnen, ich hätte den Verdacht, dass es sich um Mafiagelder oder Drogenvermögen handle, und so mussten sie mir wohl oder übel das Archiv und das Testament des Giacomo Fontanelli zeigen und mir die Hintergründe erklären, damit ich nicht zur Polizei ging.« McCaine schüttelte den Kopf. »Ich war absolut fasziniert. Das war die unglaublichste Sache, die ich in meinem ganzen Leben je gehört hatte. Und ich war überzeugt – absolut überzeugt – davon, hier die Bestimmung meines Lebens gefunden zu haben. Ich kündigte bei IBM, kehrte mit meinen nicht unbeträchtlichen Ersparnissen nach London zurück und studierte, Wirtschaftswissenschaften, Volkswirtschaft, Betriebswirtschaft, alles gleichzeitig. Ich hauste in einer billigen Dachkammer ohne Heizung, trug jahrelang dieselbe Hose und dasselbe Jackett, ging niemals aus, rauchte nicht, trank nicht, lebte wie ein Bettelmönch – und fraß den Lehrstoff, wie er noch nie gefressen worden war. Ich saß immer in der ersten Reihe, quälte alle Dozenten mit Fragen, schrieb alle Prüfungen mit besten Noten. Als ich den Abschluss hatte, ging ich in eine Bank, arbeitete als Broker, lernte in der Praxis alles, was es über Aktien, Derivate, Devisenhandel und so weiter zu wissen gab. Dann gründete ich meine eigene Firma, mit meinem eigenen Geld und geliehenem Geld und dem Erbe meines Vaters, schuftete die Nächte durch, bis ich die ersten Mitarbeiter einstellen konnte, schuftete weiter, bis wir in den schwarzen Zahlen waren und es aufwärts ging. Und bei all dem, all diese Jahre hindurch, in guten wie in schlechten Zeiten, habe ich immer hingefiebert auf diesen Moment, auf den heutigen Tag, an dem ich Ihnen gegenübersitze, dem Erben des Fontanelli-Vermögens, dem Erben von einer Billion Dollar.«
John merkte, dass er den Mann mit aufgerissenen Augen anstarrte. Wahrscheinlich bot er ein lächerliches Bild. Aber von
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