Eine Billion Dollar
und das war es. Fünf Minuten später saßen sie im Wagen zu Johns Hotel.
John war darauf gefasst gewesen, am nächsten Morgen aufzuwachen und das Hotel von Presse umzingelt vorzufinden. Zu seiner nicht geringen Erleichterung war aber, als er aufwachte und als Erstes blinzelnd durch die schweren Vorhänge hinab auf die Straße spähte, nicht eine einzige Satellitenschüssel zu sehen.
Unbemerkt war ihre verschwiegene nächtliche Zeremonie dennoch nicht geblieben. McCaine tauchte auf, als John im Esszimmer seiner Suite bei einem bemerkenswert schlechten Frühstück saß, einen Stapel Zeitungen unter dem Arm. Die Sun brachte einen längeren Bericht auf der hinteren Umschlagseite, Grundtenor »Billionen-Bub hat sich ein neues Spielzeug zugelegt«. Die Financial Times hatte einen zweispaltigen Artikel für nötig befunden, immerhin auf der ersten Seite, allerdings weit unten und von jenem ätzenden Spott getragen, für den das Blatt berüchtigt war. Man merkte süffisant an, dass noch nicht einmal feststünde, welchen Geschäftszweck die Fontanelli Enterprises überhaupt zu verfolgen gedächte. Ob er unter dem Eindruck der Prophezeiung vielleicht als Nächstes den Amazonas-Regenwald aufkaufen würde, um die dortigen Rodungen zu stoppen und so die grüne Lunge der Erde zu erhalten?
»Die werden sich noch wundern«, war McCaines ganzer Kommentar.
John blätterte den Stapel durch. »Was ist mit amerikanischen Zeitungen?«
»Für die ist es noch zu früh«, sagte McCaine. »Nur CNN bringt nachher einen Sonderbericht, eine halbe Stunde lang. Allerdings frage ich mich, wie sie die füllen wollen. Mit Spekulationen, vermutlich.«
»Ist das gut oder schlecht?«, wollte John wissen, den Rest seines labberigen Toastes betrachtend. Er beschloss, ihn nicht aufzuessen.
McCaine raffte die Blätter wieder zusammen und warf sie in den Papierkorb. »Any publicity is good publicity, das gilt nicht nur in Hollywood. Einer Menge Leuten wird heute früh der Appetit vergangen sein.«
Der Kaffee war, genau betrachtet, auch ungenießbar. »Können wir irgendwohin gehen, wo man ein gutes Frühstück bekommt?«, bat John.
McCaine begann noch im Hotelaufzug mit Maklern wegen eines angemessenen Büros zu telefonieren. »Am liebsten ein ganzes Hochhaus in der City of London«, erklärte er einem seiner Gesprächspartner, als sie durchs Foyer rauschten. »Und ich zahle bar, wenn es sein muss.«
John registrierte verblüfft, dass McCaine alles aus dem Gedächtnis bewältigte. Er kannte alle Telefonnummern auswendig, merkte sich durchgesagte Adressen und brauchte offensichtlich auch keinen Stadtplan, um sie zu finden, denn in seinem Auto war keiner.
»Ich denke, für den Anfang genügen Niederlassungen in New York, Tokio, Paris, Berlin, Sydney und Kuwait«, erläuterte McCaine, während er seinen nach wie vor unaufgeräumten Jaguar durch den Londoner Innenstadtverkehr manövrierte. Marco, Carlin und der dritte Leibwächter, dessen Name ebenfalls John war, folgten in dem gepanzerten Mercedes, den sie von einer Londoner Sicherheitsfirma gemietet hatten. »Sobald die Organisation steht, müssen wir mindestens in jeder Hauptstadt der Welt vertreten sein.«
»Kuwait?«, wunderte sich John.
»Öl«, sagte McCaine.
»Öl? Ist das denn heutzutage noch so wichtig?«
McCaine warf ihm einen abschätzigen Blick zu. »Sie meinen, verglichen mit Gentechnik?«
»Zum Beispiel. Ich meine, es geht ja um die Zukunft, und die wird doch sicher von solchen Branchen bestimmt… liest man jedenfalls immer.«
»Vergessen Sie das ganze Gerede. Zukunftsbranchen – klar, mit Gentechnik, Pharmazeutika, Internetsoftware und so weiter wird eine Menge Geld verdient werden. Wenn man der Börse glaubt, ist Microsoft mehr wert als ganz Russland. Aber glauben Sie das? Ein paar Gebäude und Computer sollen mehr wert sein als das größte Land der Erde, mit all seinem Öl, seinen Bodenschätzen, seinen endlosen Weiten? Das ist nicht die Wirklichkeit. Das ist nur der Blick der Börse, und die Börse ist nichts weiter als eine Art Wettbüro. Nur dass dort mit Einsätzen gespielt wird, die so hoch sind, dass sie in richtigen Wettbüros verboten wären.« Der Blick, mit dem McCaine den Verkehr musterte, war der eines Spähers mitten im Krieg. Mit einem raschen Manöver wechselte er die Spur. »Im wirklichen Leben sehen die Dinge anders aus. Im wirklichen Leben zählen nur Nahrungsmittel und Energie. Wussten Sie, dass dieses Jahr die weltweiten Vorräte an Weizen, Reis
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