Eine Billion Dollar
jetzt einschlagen und heute noch ausziehen.« John holte Luft. »Eine deiner zahllosen Verehrerinnen wird dich ja wohl aufnehmen.«
Marvin schloss die Augen und begann, einen imaginären Bass zu zupfen. Er summte eine undeutliche Melodie und meinte: »Ich überlege sowieso, eine Karriere im italienischen Musikgeschäft zu starten. Ich hab schon einen kennen gelernt, der ein Studio hat, jede Menge Producer kennt, ziemlich cooler Typ. Abgesehen davon, dass er beschissen Englisch spricht, na ja. Aber ich könnte ‘ne Band gründen. Scheiß auf New York, wo alles überlaufen ist.« Er schlug die Augen wieder auf. »Hunderttausend Dollar und ein Flug nach New York, damit ich meine Songs und ein paar Sachen holen kann. Und du bist mich los.«
John sah ihn an. Sein Hirn fühlte sich an wie leergefegt.
»Und, hey, den Flug erster Klasse, wenn’s nicht zu viel verlangt ist.«
»Abgemacht«, sagte John, ehe Marvin noch mehr einfiel.
Von der unvollendeten Bibliothek aus, die ein Fenster zur Einfahrt hin hatte, verfolgte John eine Stunde später, wie Marvin mit seinem großen Seesack in ein Taxi stieg, einen Scheck über einhundertfünftausend Dollar und eine Million Lire Bargeld in der Tasche. Als das Taxi hinaus auf die Straße bog und hinter dem sich schließenden Tor außer Sicht kam, atmete er erleichtert auf.
Das war geschafft. Nicht gerade eine Heldentat, aber es war vollbracht.
Und nun, da das erste Blut den Boden netzte, hieß es, weiter voranschreiten und das Massaker vollenden. Er hob das Telefon hoch, das er die ganze Zeit in der Hand gehabt hatte, und wählte noch einmal McCaines Nummer. »Ich nehme Ihr Angebot an«, erklärte er einfach.
»Gut«, erwiderte die sonore Stimme ruhig. »Ich komme morgen.«
Danach, mit bebenden Händen, wählte er die Nummer der Vacchis. Eine Sekretärin verband ihn mit Gregorio Vacchi. »Ich habe soeben McCaine engagiert«, sagte John, ohne Begrüßung, solange der Mut noch reichte.
»Es tut mir leid, das zu hören«, erwiderte Gregorio mit einer Stimme wie Polareis. »Das bedeutet, wir sind geschiedene Leute.«
21
Später sollte John sich an diesen Tag erinnern als an den Moment, in dem sein Leben abrupt in den höchsten Gang geschaltet und auf die Überholspur hinübergezogen wurde, um zu beschleunigen und zu beschleunigen, ohne dass er gesehen hätte, wen oder was er jagte – oder wovor er floh…
McCaine hatte noch einmal angerufen, um anzukündigen, dass er mit einem gecharterten Jet kommen würde und dass man ihn nicht abholen solle, er werde mit dem Taxi kommen. So wurde es ein Morgen reglosen Wartens. Die Sonne brannte herab, kein Wind ging, das Meer lag bleiern. Sogar in den kargen Büschen, in denen es sonst immer zirpte, raschelte und zwitscherte, herrschte atemlose Stille. Wegen der Hitze vermutlich, aber John kam es so vor, als warteten die Zikaden und Singvögel mit ihm. Immer wieder trat er auf den kleinen Balkon vor einem der Gästezimmer, von dem aus man die Einfahrt überblicken konnte und die Straße, über der die Luft flirrte. Nichts. Dann holte er jedes Mal tief Luft und ging wieder hinein ins Kühle und fragte sich, ob er die richtige Entscheidung getroffen hatte.
Das Taxi kam, als er in der Küche stand, um ein Glas Wasser zu trinken. Durch das Küchenfenster verfolgte er, wie der Wagenschlag geöffnet wurde und sich McCaines massige Gestalt herauswälzte. Er hatte nur einen Aktenkoffer dabei und brachte es wieder fertig, in einem Viertausend-Dollar-Anzug schlampig gekleidet auszusehen.
»Mister Fontanelli«, rief McCaine, als John in die Tür trat, und keuchte dabei, als habe er das Taxi den ganzen Weg schieben müssen.
»Nennen Sie mich John«, sagte John, als er heran war.
»Malcolm«, erwiderte McCaine und schüttelte ihm die Hand.
An das Haus verschwendete er keinen Blick. John ging voraus ins Wohnzimmer, wo McCaine sofort und als käme es nun auf jede Minute an den Couchtisch mit Beschlag belegte. Er klappte den Kofferdeckel auf, nahm eine Weltkarte heraus und breitete sie auf dem hochglanzpolierten Alabaster aus. »Welche Stadt«, fragte er, »soll künftig das Zentrum der Welt sein?«
»Wie bitte?«, meinte John irritiert.
»Es geht um den Firmensitz. Wir werden als Dach aller weiteren Maßnahmen eine Holdinggesellschaft gründen, und die muss einen offiziellen Sitz haben. Natürlich werden wir Niederlassungen überall in der Welt haben, das versteht sich von selbst, aber wir brauchen eine Zentrale. Die Frage ist: Wo?«
John
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