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Eine Billion Dollar

Eine Billion Dollar

Titel: Eine Billion Dollar Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andreas Eschbach
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er sich gerade befand. Sie schienen aus Versehen einen Hellseher eingestellt zu haben, der eher als sie selber wusste, wo der Jumbo das nächste Mal landen würde. Auf diese Weise erreichte ihn eines Tages auch Marvins erste CD.
    John öffnete den gefütterten Umschlag mit einiger Neugier und musste grinsen, als er die CD herauszog. Wasted Future war der Titel. Marvin blickte mit von Weltschmerz umwölktem Blick vom Cover, aufgenommen vor einer Art Müllhalde. »Lieber John, anbei der erste Schritt einer hoffentlich steilen Karriere«, stand auf eine beigelegte Karte gekritzelt, unterschrieben von Marvin und Constantina, die auch unter vocals auf der CD genannt war.
    Höchst interessant. John ließ alles liegen und stehen, ging in den Salon des Flugzeugs, der mit einer Hi-Fi-Anlage für fünfzigtausend Dollar ausgestattet war, und legte die CD voller Neugier ein.
    Sie war, mit einem Wort, schrecklich. Ein dumpfer, breiiger Sound quoll aus den Boxen, in dem einzig die Bassgitarre unangenehm herausstach, während der Sänger hilflos in übermäßig viel Hall und allgemeinem Gewaber unterging. Was kein Verlust war, denn Marvins Gesang klang, als habe ihn klinische Depression und akute Schwindsucht gleichzeitig ereilt. Alles stampfte und wälzte sich in eintönigem Rhythmus dahin, und wenn einmal so etwas wie eine Melodie zu erkennen war, war sie so stark an bekannte Songs angelehnt, dass man sie mit einigem Recht als geklaut hätte bezeichnen können. Von Constantina war zwar so gut wie nichts zu hören, aber auch das Wenige ließ erahnen, dass man dadurch nichts versäumte.
    Mit einigem Schaudern nahm John die CD eine halbe Stunde später wieder heraus; er hatte es nicht fertig gebracht, sich das Opus in Gänze anzutun, und einige Male zum jeweils nächsten Stück weitergeschaltet. Es tat ihm aufrichtig leid, mit schuld daran zu sein, dass ein solches Machwerk das Licht der Welt erblickt hatte, das zweifellos nicht der erste Schritt, sondern der Schlusspunkt einer Karriere war. Was bedeutete, dass Marvin demnächst wieder Geld brauchen würde.
    Er schleuderte die CD samt Umschlag und Karte in den Abfall und rief sein Sekretariat in London an, um Marvins Namen von der Liste nehmen zu lassen.

24
    Es war ein strahlender Tag Ende April, der erste ernsthafte Frühlingstag im Grunde. Das Schloss erstrahlte prachtvoller als je zuvor, wahrhaftig wie das Zentrum der Welt.
    Marco strahlte auch. Knopf im Ohr, das Funkgerät griffbereit in der Hand, Revolver im Schulterhalfter, ging von ihm in erster Linie ein überwältigender Eindruck von Glück aus.
    »Ihnen scheint es tatsächlich gut zu gefallen in England«, stellte John fest.
    »Ja«, nickte Marco. »Allerdings liegt das in Wirklichkeit nicht an England, sondern an Karen.«
    »Karen?«
    »Karen O’Neal. Sie erinnern sich vielleicht, sie war Mister McCaines Sekretärin in seiner alten Firma.« Wieder dieses Strahlen. »Wir sind jetzt zusammen.«
    »Ah«, machte John. »Glückwunsch.«
    »Danke.« Marcos Hand ging zum Ohr, drückte den Knopfhörer fest. »Der Wagen des Premierministers hat gerade das Tor passiert.«
    Das war etwas, das alles Geld der Welt nicht kaufen konnte. Im Gegenteil.
    Seit seinem Erlebnis mit Constantina hockte John eine Skepsis im Nacken, die er nicht mehr loswurde. Er wusste, dass er sich die schönsten Frauen der Welt ins Bett hätte holen können, mit oder ohne Bezahlung, aber seit er nach England gekommen war, hatte er keine mehr an sich herankommen lassen. Bei jedem Lächeln und jedem Augenaufschlag durchzuckte ihn der Argwohn, dass das Interesse nicht ihm, sondern seinem Vermögen gelten mochte. Manchmal brauchte es dazu nicht einmal ein Lächeln. Wie damals bei der Journalistin, die im Archiv der Vacchis gekramt und dann die Prophezeiung publik gemacht hatte.
    Dabei war sie nicht einmal sein Typ gewesen. Nicht annähernd. Der Himmel mochte wissen, warum er überhaupt noch an sie denken musste.
    Sie gingen hinaus. Der Wagen des Premierministers, ein dunkelgrauer Jaguar, kam über die Kuppe gerollt. Die Pfauen standen zwischen den Rabatten und schlugen Rad wie bestellt.
    John holte tief Luft, wischte unauffällig die Hände noch einmal an der Hose ab, spürte sein Herz bis in die Fußsohlen schlagen. Immerhin war das der erste Regierungschef, mit dem er sprechen würde.
    Das Ganze war McCaines Idee gewesen. Und er ließ ihn auch noch allein damit. Sie schaffen das, hatte er gemeint. Sein Tempo, überlegte John, hatte zumindest den Vorteil, dass

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